“… . II. Die Betr. war nach Durchführung der neuen Hauptverhandlung aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
Sie hat, vom persönlichen Erscheinen entbunden und im Termin vertreten durch ihren Verteidiger, nach Zugeständnis der Fahrereigenschaft und Mitteilung eines “geregelten Einkommens' das Messverfahren nicht im Detail, aber dem Grunde nach angegriffen. Gemessen wurde mit dem Einseitensensor 3.0 der Firma ESO.
Die Messung mit diesem Gerät sei durch den Verteidiger selbst unter Hinzuziehung eines Sachverständigen nicht auf die Plausibilität hin nachzuprüfen, weil der Gerätehersteller die Einsichtnahme in die Messdaten verweigere. Dies verstoße gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz und die Aufklärungspflicht des Gerichts, außerdem gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens, mithin Art. 103 GG. Die Betr. habe keine Möglichkeit, ein vorhandenes Beweismittel inhaltlich nachzuvollziehen. Zudem werde ihr gewissermaßen als Zirkelschluss der BGH-Rspr. zum standardisierten Messverfahren die Beweismöglichkeit versagt.
Diesen Einwänden musste das Gericht stattgeben.
1. Im Rahmen der ersten Hauptverhandlung hatte der Verteidiger zunächst nur gerügt und unter Beweisantrag gestellt, dass das Fahrzeug der Betr. nicht in einer zur Fotolinie logischen Messposition befindlich ist. Dieser Einwand wurde damals vom Gericht zunächst nach Durchführung der Beweisaufnahme mit dem beauftragten Sachverständigen Dr. P und dem geladenen sachverständigen Zeugen R der Firma ESO, nach der Einsichtnahme in die Bedienungsanleitung und nach der Bezugnahme auf die Rspr. entkräftet.
Auf dem Messfoto war zwar erkennbar gewesen, dass als die Messung auslösender Kontrast der vorauseilende Schatten des Fahrzeugs und nicht das Fahrzeug selbst fungiert hat. Dennoch war aus Sicht des Gerichts der Schatten hinsichtlich der Umrisse zweifelsfrei dem Fahrzeug der Betr. zuzuordnen und nicht etwa einem anderen fahrenden oder gar fliegenden Objekt, das dazu noch mit höherer Geschwindigkeit als die Betr. unterwegs gewesen wäre. Auch eine Messung verschieden hoher Stufen des Fahrzeugs oder möglicherweise mit Eigengeschwindigkeit pendelnder herausragender Bestandteile hatte nicht festgestellt werden können. Abgesehen von einem nur theoretischen Fall des Schattenwurfs eines schnelleren Objekts, z.B. eines Flugzeugs, was hier aber anhand der Lichtbilder und anhand des eindeutigen Schattenwurfs ausgeschlossen werden konnte, hätte die Messung eines Fahrzeugs rein physikalisch auch durch den vorauslaufenden Schatten ausgelöst werden können.
2. Der vorab beauftragte Sachverständige hatte in seinem auch in der jetzigen Hauptverhandlung verlesenen Gutachten ausgeführt, dass zwar bei den einzelnen Messfotos des Films Nr. 180003_5 bei den Einblendungen des seitlichen Abstands in Bezug auf die Aufnahmeposition der Fahrzeuge keine unplausiblen Messpositionen festgestellt werden konnten, jedoch stark abweichende Positionen einiger der aufgenommenen Fahrzeuge zur Fotolinie (wobei jeweils weitere Fahrzeuge im Bereich der Fotolinie nicht festzustellen waren). Es sei deshalb, so der Sachverständige, möglich, dass eine unzulässige Bedienung des Messgeräts oder eine Fehlmessung vorgelegen habe, die in einer Ablichtung von Fahrzeugen trotz Nichterreichens oder sogar Überschreitens der Fotolinie ausgedrückt wird. Der Sachverständige hat durch Vergleich mit mehreren Messfotos des betroffenen Films Nr. 180003_5 aufgezeigt, dass es verschiedene Situationen gab, so auch die der Betr., in welchen das gemessene Fahrzeug nicht mit der Fahrzeugfront an der Fotolinie stand, sondern davor oder gar schon darüber. Auch das Fahrzeug der Betr. war bei Auslösung des Lichtbildes noch vor der Fotolinie befindlich, erreicht hatte die Fotolinie aber bereits der dem Fahrzeug der Betr. zuzuordnende Schattenwurf des Fahrzeugs.
3. Der Hersteller des Geräts verweist in seiner beigezogenen und der Akte beiliegenden Bedienungsanleitung (Stand 2010) zur Problematik des “vorauslaufenden Schattens' auf S. 43 auf einen von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) genehmigten Hinweis: “In seltenen Fällen kann die Fotoposition durch Lichteffekte (z.B. vorauslaufende Schatten o.Ä.) abweichen. [ … ] Diese Effekte haben keine Auswirkung auf den Geschwindigkeitsmesswert. Eine sichere Auswertung kann trotzdem erfolgen, wenn anhand der Fahrtrichtungssymbolik, der Position bezüglich der Fotolinie und des gemessenen Abstands eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Dies ist auf jeden Fall gegeben, wenn nur ein Fahrzeug in Frage kommt.'
Vorliegend befand sich zwar nur das Fahrzeug der Betr. im Ablichtungsbereich. Ob eine Zuordnung und damit eine plausible Messung aber tatsächlich erfolgt ist, kann der Sachverständige ohne Preisgabe der Messdaten nicht prüfen. Ihm steht nur das ESO-eigene Auswertprogramm zur Verfügung, das eine Preisgabe der Messdaten nicht vorsieht. Die Fotolinie selbst ist aber kein Fixum für die Messung, sondern erlaubt nur eine eindeutige Zuordnung der Messung zu einem bestimmten Fahrzeug. Damit ist die ...