BGB § 249 § 254
Leitsatz
Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls, der die Schadensbeseitigung (hier: durch Wiederbeschaffung eines Ersatzfahrzeugs) nicht vorfinanzieren kann und den Unfallgegner frühzeitig hierauf hinweist, hat Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung auch für die Zeit, in der sich die Wiederbeschaffung verzögert, weil der Haftpflichtversicherer des Schädigers trotz des Hinweises des Geschädigten den ihm zustehenden Prüfungszeitraum für seine Regulierungsentscheidung ausschöpft.
LG Saarbrücken, Urt. v. 14.2.2014 – 143 S 189/13
Sachverhalt
Der Kl. macht restlichen Nutzungsausfall nach einem Verkehrsunfall geltend. Bei einem Unfall wurden ein Pferdanhänger der Kl. und ihr Kfz total beschädigt. Die beklagte Haftpflichtversicherung ist in vollem Umfang eintrittspflichtig. Der Unfall hatte sich an einem Freitag ereignet. Am folgenden Montag beauftragte die Kl. einen Kfz-Sachverständigen mit der Erstattung eines Gutachtens über die Schadenshöhe, das nach Fertigstellung am 3.9. der Kl. am 5.9. zuging. In dem Gutachten wurde die Wiederbeschaffungsdauer eines Fahrzeugs mit 12–14 Kalendertagen angegeben. Am 6.9. übersandte der Prozessbevollmächtigte der Kl. das Gutachten an die Bekl., setzte ihr eine Zahlungsfrist bis zum 17.9.und wies auf Folgendes hin:
"Weiterhin darf ich darauf hinweisen, dass meine Mandantin den ihr entstandenen Schaden nicht vorfinanzieren kann. Etwaige Verzögerungen bei der Schadensregulierung und damit einhergehend bei der Dauer der Wiederbeschaffung gingen daher zu ihren Lasten. Um den Nutzungsausfall gering zu halten, sollten Sie damit im eigenen Interesse für eine fristgerechte Regulierung des o.g. Schadens sorgen!"
Am 6.9.2012 bestellte die Kl. bei dem örtlichen Händler ein Ersatzfahrzeug, das erst am 24.9.2012 an die Kl. übergeben wurde. Ihr Prozessbevollmächtigter setze sich mit der Sachbearbeiterin der Bekl. in Verbindung und teilte ihr mit, dass das inzwischen bestellte Ersatzfahrzeug erst an die Kl. herausgegeben werde, wenn es bezahlt sei. Weiterhin wies der Prozessbevollmächtigte die Sachbearbeiterin darauf hin, dass er der Kl. bei verzögerter Regulierung empfehlen werde, sich um einen Kredit zu bemühen und die dabei anfallenden Kosten geltend zu machen. Die Kl. sah von Bemühungen um einen Kredit ab, nachdem die Sachbearbeiterin mitteilte, sie werde den Fahrzeugschaden abrechnen. Die Bekl. überwies am 24.9.2012 einen Betrag von 14.856,52 EUR, sodass sie das Ersatzfahrzeug am 25.9.2012 gegen Zahlung des Kaufpreises erhielt. Zur Begründung des von ihr geltend gemachten Nutzungsausfalls hat die Kl. behauptet, sie sei weder in der Lage gewesen, den Kaufpreis aus Eigenmitteln vorzufinanzieren noch sei sie in der Lage gewesen, einen Überbrückungskredit zu erhalten. Hierzu sei es erforderlich gewesen, dass ein kreditwürdiger Dritter die Mithaftung erklärt hätte. Ein solcher Dritter habe ihr nicht zur Verfügung gestanden.
Die Bekl. hat eine Verletzung der Schadensminderungspflicht durch die Kl. darin gesehen, dass die Kl. nicht deutlich auf die fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit hingewiesen habe. Bei einer Vorfinanzierung durch einen Überbrückungskredit wären lediglich Überziehungszinsen von 119,19 EUR angefallen. Das AG hat den Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls mit der Begründung abgewiesen, dass der Hinweis des Bevollmächtigten der Kl. v. 6.9.2012 auf die fehlende Vorfinanzierungsmöglichkeit nicht ausreichend gewesen sei, damit die Kl. ein Mitverschulden an dem entstandenen Nutzungsausfall treffe, der zu einem Entfallen des Anspruchs auf Ersatz des Nutzungsausfalls führe. Die von der Kl. eingelegte Berufung mit dem Ziel der Zuerkennung des Nutzungsausfallschadens hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen:
" … Die Berufung ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch Erfolg. Der Kl. steht ein Anspruch auf Ersatz weiteren Nutzungsausfalls gegen die gem. §§ 7, 17 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 VVG eintrittspflichtige Bekl. zu."
1. Nach der st. Rspr. des BGH stellt auch der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kfz einen ersatzfähigen Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB dar, wenn der Geschädigte sich für die Zeit des Nutzungsausfalls keinen Ersatzwagen beschafft hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 40, 345, 347 ff.; 56, 214, 215; BGH, Urt. v. 10.6.2008 – VI ZR 248/07, NJW-RR 2008, 1198; v. 10.3.2009 – VI ZR 211/08, NJW 2009, 1663; Urt. v. 14.4.2010 – VIII ZR 145/09, VersR 2010, 1463, jeweils m.w.N.). Dieser Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen Schadens. Es handelt sich vielmehr um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er setzt neben dem Verlust der Gebrauchsmöglichkeit voraus, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen wäre (Nutzungswille und hypothetische Nutzungsmöglichkeit; st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 18.12.2007 – VI ZR 62/07, VersR 2008, 370, und v. 14.4.2010 a.a.O., jeweils m.w.N.), und besteht für die erfor...