AVB-RU § 3 (4); VVG § 28; EGVVG Art. 1 Abs. 3
Leitsatz
1. Der Leistungsausschluss nach § 3 (4) d) ARB-RU 2000, wonach Rechtsschutz nicht besteht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus vom VN in eigenem Namen geltend gemachten Ansprüchen anderer Personen, greift nicht ein, wenn der VN originär eigene Ansprüche verfolgen will, die er lediglich zur Sicherheit an einen Dritten übertragen hat.
(Amtlicher Leitsatz)
2. Zu den Rechtsfolgen nicht angepasster Obliegenheiten in der Rechtschutzversicherung.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 2.4.2014 – IV ZR 124/13
Sachverhalt
Die Kl. begehrt die Feststellung, der beklagte Rechtsschutzversicherer müsse ihr für eine Auseinandersetzung mit ihrem früheren Lebensversicherer um die Rückzahlung von Versicherungsprämien Deckungsschutz gewähren.
Die Kl. ist Mitversicherte eines bei der Bekl. abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages, dem die ARB-RU 2000 zugrunde liegen. Sie enthalten in ihrem § 17 eine Auskunftsobliegenheit, deren Verletzung dem im Jahr 2000 geltenden Recht entsprechend sanktioniert war.
Eine Anpassung an die Vorschriften des VVG in der Fassung des Gesetzes v. 23.11.2007 (BGBl I 2631) nahm die Bekl. nicht vor.
Mit anwaltlichem Schreiben v. 10.6.2011 bat die Kl. um Deckungsschutz für das außergerichtliche und erstinstanzliche Vorgehen gegen die A Lebensversicherung AG (L), dem folgender Sachverhalt zugrunde lag:
Die Kl. hatte bei L im Zeitraum vom 1.11.2004 bis zum 1.6.2010 eine fondsgebundene Lebensversicherung unterhalten. Am 3.2.2010 schloss sie mit der X einen "Prozessbetreuungsvertrag", in dem es unter anderem heißt:
"Ich entscheide mich für das Modell RS von LV-Doktor: Ich habe eine Rechtschutzversicherung, die die Verfahrenskosten trägt. Mir ist bewusst, dass ich eine ggf. mit der Rechtschutzversicherung vereinbarte Selbstbeteiligung auch im Fall des verlorenen Verfahrens selbst übernehmen muss. Im Gegenzug erhebt die X außer für die Kündigung eines laufenden Vertrages keine weiteren Gebühren."
Ich … bin davon überzeugt, dass nach Kündigung meines Versicherungsvertrages durch einen Anwalt ein erheblich höherer Rückkaufswert erzielt werden kann. Um von möglichen zusätzlichen Rückerstattungen zu profitieren, bitte ich um Unterstützung durch die Gesellschaft … unter Einbeziehung meiner Rechtsschutzversicherung. … “
Mit dem Vertrag wurde X beauftragt, die Kündigung des Lebensversicherungsvertrages gegen eine Gebühr i.H.v. 87,50 EUR umgehend zu veranlassen. Am zu erzielenden Mehrerlös sollte X i.H.v. 25 % beteiligt werden. Die Kl. sollte gegenüber dem Lebensversicherer durch einen von X ausgewählten Rechtsanwalt vertreten werden. Weiter wurde eine L gegenüber nicht offen zu legende Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag vereinbart.
Mit anwaltlichem Schreiben v. 15.2.2010 ließ die Kl. den "Widerspruch gem. § 5a VVG/den Widerspruch nach § 8 VVG, vorsorglich die Anfechtung nach § 119 BGB, hilfsweise die Kündigung" des Versicherungsvertrages erklären. Der L erkannte nur die Kündigung an und zahlte den Rückkaufswert an die Kl. aus.
Mit ihrer Deckungsschutzanfrage bat die Kl. um Rechtsschutz für die Geltendmachung eines Anspruchs auf Rückzahlung der Prämien zuzüglich 7 % Zinsen abzüglich des ausgezahlten Rückkaufswertes, ohne den Prozessbetreuungsvertrag und die Sicherungsabtretung zu erwähnen. Mit Schreiben v. 2.8.2011 lehnte die Bekl. den beantragten Deckungsschutz unter Berufung auf eine vorsätzliche bzw. grob fahrlässige Verletzung der Auskunfts- und Aufklärungsobliegenheit durch die Kl. und auf fehlende hinreichende Erfolgsaussichten ab.
2 Aus den Gründen:
[13] "… I. Das BG stützt die Abweisung der Klage auf eine Leistungsfreiheit der Bekl. nach § 28 Abs. 2 VVG infolge einer vorsätzlichen Verletzung der Auskunftsobliegenheit aus § 17 (3) ARB-RU 2000. Die Kl. habe der Bekl. die mit der X getroffenen Vereinbarungen, insb. die Sicherungsabtretung der Ansprüche aus dem Lebensversicherungsvertrag, verschwiegen. Zudem habe sie mit dem Prozessbetreuungsvertrag und dem dort zugunsten der X vereinbarten Erfolgshonorar versucht, die Abtretungsverbote zu Lasten des Rechtsschutzversicherers, der nur seinem Vertragspartner zur Gewährung von Rechtsschutz verpflichtet sei, zu umgehen."
[14] II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Bekl. ist nach den §§ 1, 2 d), 4 (1) S. 1 a) ARB-RU 2000 vertraglich verpflichtet, der Kl. den begehrten Deckungsschutz zu gewähren.
[15] 1. Anders als das BG angenommen hat, folgt die Leistungsfreiheit der Bekl. nicht aus einer vorsätzlichen Verletzung der Informationspflicht aus § 17 (3) ARB-RU 2000. Dabei kann offen bleiben, ob die Kl. ihre Auskunftsobliegenheit verletzt hat, da einer Leistungsfreiheit jedenfalls die Unwirksamkeit der Sanktionsregelung in § 17 (6) ARB-RU 2000 entgegensteht.
[16] a) § 17 (6) ARB-RU 2000 weicht zum Nachteil des VN von der Neuregelung des § 28 VVG ab. Die Rechtsfolgenregelung in § 17 (6) S. 1 und 2 ARB-RU 2000 beruht auf den gesetzlichen Vorgaben des § 6 Abs. 3 VVG a.F. (vgl. Harbauer/Bauer, Rechtsschutzve...