Die täglichen Staumeldungen im Juli belegen den erhöhten Verkehr, welcher sich überwiegend in Richtung Süden bewegt. Nicht nur des Deutschen liebstes Reiseziel Italien wird angesteuert, ganz Europa wird mit dem Auto bereist. In all diesen Ländern drohen dem Urlauber Sanktionen für Verkehrsverstöße.
Zuweilen erhält der Betroffene erst über ein Jahr nach seiner Rückkehr Post aus dem Urlaubsland; dies nicht etwa in Form einer Postkarte, sondern vielmehr ein Aufforderungsschreiben zur Zahlung einer Geldbuße aufgrund eines vermeintlichen Verkehrsverstoßes. In diesem Moment lernt der Betroffene dann auch, dass neben den Preisen für eine Kugel Eis auch Bußgelder in vielen Ländern zum Teil erheblich über dem deutschen Niveau liegen.
"Nach so langer Zeit ein Strafzettel, das kann doch nicht sein! Gab es da nicht eine Dreimonatsfrist?", geht es dem ehemaligen Urlauber und baldigen Mandanten durch den Kopf. Dies ist dann auch häufig die erste Frage im Rahmen des Mandantengesprächs.
Früher genügte zumindest für Vorfälle außerhalb Österreichs der Hinweis auf fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten. Spätestens seit der Umsetzung der europäischen Richtlinie zur gegenseitigen Vollstreckung von Geldsanktionen bedarf es neben Kenntnissen des Verfahrensrechts auch solchen des materiellen Rechts des jeweiligen Reiselandes.
In den Niederlanden ist das Augenmerk aktuell nicht nur auf die Fußballnationalmannschaft zu richten. Die niederländischen Behörden nutzen inzwischen die europarechtlichen Verfolgungsmöglichkeiten. Derartige Hilfeersuchen an das Bundesamt der Justiz in Bonn aus anderen Ländern sind momentan eher selten. Allerdings wird sich dies in den nächsten Jahren wohl ändern. Beispielsweise hat auch Italien zwischenzeitlich die EU-Richtlinie in Landesrecht umgesetzt.
Ein Dorn im Auge ist den Bußgeldbehörden der europäischen Länder die fehlende Halterverantwortlichkeit in Deutschland. Trotz europäischer Wünsche für ausländische Sanktionen, die sogenannte Halterverantwortlichkeit auch in Deutschland einzuführen und somit die Unschuldsvermutung auszusetzen, hat es die Bundesrepublik durchgesetzt, dass keine Sanktionen vollstreckt werden, die hierauf beruhen. Häufig hat der Verkehrsanwalt damit die Chance, dem Mandanten eine Ahndung zu ersparen und so die Urlaubskasse zu schonen.
Aber von nichts kommt nichts: Der Betroffene muss sich wehren und darf sich nicht zurücklehnen und abwarten. Es gibt verschiedene Fehlerquellen, welche den Bescheid angreifbar machen. Beispielsweise muss sowohl der Tatvorwurf als auch die Rechtsmittelbelehrung in der Sprache des Betroffenen verfasst sein.
Meist noch ärgerlicher als das Knöllchen sind Verkehrsunfälle im Urlaubsland. Bei der Regulierung von Auslandsunfällen sind die Geschädigten bzw. deren Werkstätten regelmäßig überfordert, was dem Verkehrsanwalt ebenfalls potentielle Mandate eröffnet. Nicht nur die Ermittlung des hinter dem Schädiger stehenden Versicherers und des für diesen tätigen Regulierungsbüros sind problematisch, sondern auch die Frage, welche Schadensersatzpositionen im jeweiligen Urlaubsland dem Mandanten zustehen. Hier gibt es bekanntermaßen ganz erhebliche Unterschiede. Als Beispiel sei auf die unterschiedliche Erstattungsfähigkeit der Mietwagengebühren und des Nutzungsausfalls hingewiesen. Ganz erhebliche – und für den juristischen Laien oft verblüffende – Unterschiede bestehen in der Höhe des zu erstattenden Schmerzensgeldes. Zur bestmöglichen Durchsetzung der dem Mandanten zustehenden Ansprüche bedarf es daher der Kenntnis des jeweiligen Landesrechtes bzw. eines Zugriffs auf die einschlägige Literatur.
Spätestens nach der Urlaubssaison sollte der Verkehrsanwalt also auf Auslandsbezüge des Verkehrsrechts eingestellt sein, damit er den im Wartezimmer sitzenden Mandanten beruhigt und zufrieden in den Resturlaub schicken kann.
Autor: Dr. Frank Häcker
RA Dr. Frank Häcker, FA für Verkehrsrecht und für Strafrecht, Aschaffenburg
zfs 7/2014, S. 361