StPO § 406 Abs. 3 S. 1 und 3; ZPO § 322
Leitsatz
1. Bei der Geltendmachung eines unbezifferten Schmerzensgeldbetrags im Adhäsionsverfahren werden durch den zuerkannten Betrag alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen werden konnten und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnten.
2. Eine Nachforderung in einem anderweitigen Rechtsstreit ist bei Geltendmachung eines unbezifferten Schmerzensgeldbetrags und fehlender Angabe eines nicht durch den Urteilsausspruch erreichten Mindestbetrags und damit fehlender Angabe des Absehens von einer Entscheidung im Adhäsionsverfahren nach § 406 Abs. 1, 3 und 6 StPO aufgrund der Rechtskraftwirkung des Adhäsionsurteils ausgeschlossen.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BGH, Urt. v. 20.1.2015 – VI ZR 27/14
Sachverhalt
Nach einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen den Parteien machte der Kl. bereits im Ermittlungsverfahren unter Verwendung eines von der Landesjustizverwaltung zur Verfügung gestellten Vordrucks "2 in 1 – Schadensersatz im Strafprozess" unbezifferte Anträge auf Ersatz seines finanziellen Schadens und Zuerkennung eines angemessenen Schmerzensgeldes. Weiterhin beantragte er die Feststellung der Verpflichtung des Bekl., ihm weitere materielle und immaterielle Schäden zu ersetzen. Im anschließenden Strafverfahren vor dem AG – Strafrichter – hielt er diese Anträge aufrecht. Durch Urteil des AG wurde der Bekl. der gefährlichen Körperverletzung schuldig gesprochen und zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Weiterhin wurde er verurteilt, an den Kl. ein Schmerzensgeld von 1.000 EUR zu zahlen. Weiterhin wurde festgestellt, dass der Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen. Hinsichtlich des Antrags auf Ersatz des materiellen Schadens sah das Strafgericht von einer Entscheidung ab. Der Angekl. und jetzige Bekl. legte gegen dieses Urteil Berufung ein, die er in der Hauptverhandlung vor der Strafkammer auf die Feststellungsentscheidung beschränkte. Das LG sah durch Beschluss von einer Entscheidung über den Feststellungsantrag ab. Im Übrigen wurde das Urteil des AG im Strafverfahren rechtskräftig.
Im anschließend geführten Zivilrechtsstreit machte der Kl. ein weiteres Schmerzensgeld von 500 EUR geltend. Das AG wies die Klage mit der Begründung ab, dass durch die rechtskräftige Entscheidung im Adhäsionsverfahren abschließend über den Schmerzensgeldanspruch entschieden worden sei. Die Berufung des Kl. wurde zurückgewiesen. Die von dem LG zugelassene Revision des Kl. blieb ohne Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[5] "… II. Das BG ist mit Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass aufgrund der im Adhäsionsverfahren ergangenen rechtskräftigen Verurteilung des Bekl., an den Kl. aufgrund des Schadensereignisses vom 28.5.2011 ein Schmerzensgeld von 1.500 EUR zu zahlen, eine erneute Klage zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand gem. § 322 ZPO unzulässig ist."
[6] 1. Der Antrag auf Zahlung eines Schmerzensgeldes im Adhäsionsverfahren hat dieselben Wirkungen wie die Erhebung einer entsprechenden Klage im bürgerlichen Rechtsstreit (vgl. § 404 Abs. 2 S. 1 StPO). Die in einem Strafverfahren ergangene rechtskräftige Entscheidung über den Antrag, durch den der Verletzte den ihm aus einer Straftat des Beschuldigten erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch (§§ 403 f. StPO) geltend macht, steht gem. § 406 Abs. 3 S. 1 StPO einem im bürgerlichen Rechtsstreit ergangenen rechtskräftigen Urteil gleich (vgl. Senat NJW 2013, 1163 Rn 8). Nur soweit der Anspruch nicht zuerkannt ist, kann er nach § 406 Abs. 3 S. 3 StPO anderweit geltend gemacht werden. Eine solche Ausnahme liegt im Streitfall nicht vor.
[7] 2. Streitgegenstand des Adhäsionsverfahrens war hier ein (einheitlicher) Anspruch des Kl. gegen den Bekl. auf Schmerzensgeld aus dem Schadensereignis vom 28.5.2011. Das BG ist zutreffend davon ausgegangen, dass es der Grundsatz der Einheitlichkeit des Schmerzensgeldes gebietet, die Höhe des dem Geschädigten zustehenden Schmerzensgeldes aufgrund einer ganzheitlichen Betrachtung der den Schadensfall prägenden Umstände unter Einbeziehung der absehbaren künftigen Entwicklung des Schadensbildes zu bemessen (vgl. BGH, [GZS], BGHZ 18, 149, 151 ff. = NJW 1955, 1675; Senat VersR 1961, 164 = BeckRS 2015, 05468 und NJW 2001, 3414 = VersR 2001, 876).
[8] a) Verlangt ein Kl. für erlittene Körperverletzungen – wie im Streitfall – uneingeschränkt ein Schmerzensgeld, so werden durch den zuerkannten Betrag alle diejenigen Schadensfolgen abgegolten, die entweder bereits eingetreten und objektiv erkennbar waren oder deren Eintritt jedenfalls vorhergesehen und bei der Entscheidung berücksichtigt werden konnte (st. Rspr.: vgl. Senats VersR 1963, 1048, 1049 = BeckRS 2015, 05470; NJW 1980, 2754 = VersR 1980, 975; NJW 1988, 2399 = VersR 1988, 929; NJW 1995, 1614 = VersR 1995, 471, 472; NJW 2001, 3414 = VersR 2001, 876; NJW 2004, 1243 = VersR 2004, 1334, NJW-RR 2006, 712 = VersR 2006, 1090 Rn 7, jew. m.w.N.). ...