VVG §§ 100 ff.; VVG a.F. § 149 ff. § 154 § 157
Leitsatz
Das Trennungsprinzip in der Haftpflichtversicherung steht einer unmittelbaren Inanspruchnahme des VR durch den Geschädigten auch ohne vorherige Feststellung des Haftpflichtanspruchs nicht entgegen, wenn der Deckungsanspruch wirksam an den Geschädigten abgetreten ist.
BGH, Urt. v. 20.4.2016 – IV ZR 531/14
Sachverhalt
Die Kl. nehmen die beklagte Anwaltssozietät unter anderem wegen unnütz aufgewandter Prozesskosten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen einen Notar in Anspruch. Diese Ansprüche beruhen darauf, dass dem Notar bei der vertraglichen Gestaltung der Übertragung von insgesamt elf Grundstücken Fehler unterlaufen sind, die zum doppelten Anfall der Grunderwerbsteuer bei den Erwerbern führten. Bei diesen Erwerbern handelt es sich um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, an der der Kl. zu 1 beteiligt ist, die Kl. zu 2 und einen Rechtsanwalt, der seine Ansprüche gegen die Bekl. an den Kl. zu 1 abgetreten hat.
Die Bekl. war von den Kl. und dem Zedenten mit der Geltendmachung dieser Ansprüche mandatiert worden, nachdem der Notar verstorben und Nachlassinsolvenz angeordnet worden war. Die Insolvenzverwalterin erkannte die zur Tabelle angemeldeten Schadensersatzansprüche gegen den Notar nicht an, trat jedoch die Freistellungsansprüche des Notars aus seiner Berufshaftpflichtversicherung gegen den VR an die Erwerber ab.
Die Bekl. erhob für den Zedenten zunächst bezüglich eines von ihm erworbenen Grundstücks Klage gegen den VR auf Zahlung, hilfsweise Feststellung der Deckungspflicht. Hierbei sollte es sich nach Vorstellung der Beteiligten um einen Musterprozess handeln. In erster Instanz wurde diese Klage zwar mit dem Hauptantrag abgewiesen, jedoch stellte das LG auf den Hilfsantrag fest, dass der VR verpflichtet sei, Leistungen i.H.v. 36.040 EUR zu gewähren.
Daraufhin erhob die Bekl. nunmehr für die Kl. Feststellungsklagen gegen den VR auch bezüglich aller weiteren Grundstücke. Diese Klagen wurden wegen fehlender Aktivlegitimation abgewiesen. Die Abtretung des Deckungsanspruchs durch die Insolvenzverwalterin sei wegen des in § 7 Ziff. 3 AHB der Haftpflichtversicherung des Notars enthaltenen Abtretungsverbots mangels Zustimmung des VR unwirksam.
Parallel dazu wies das OLG im Berufungsverfahren des ersten Prozesses darauf hin, dass auf den Hilfsantrag nur die Feststellung der Deckungspflicht, aber keine Entscheidung über den Haftpflichtanspruch möglich sei. Auf eine dahingehende Antragsbeschränkung des dortigen Kl. erging (nur noch) ein Anerkenntnisurteil des Inhalts, dass die dortige Bekl. verpflichtet sei, Leistungen zu gewähren, soweit sich der vom Kl. geltend gemachte Schadensersatzanspruch "als begründet erweisen sollte".
Anschließend machten die Erwerber den Haftpflichtanspruch gegen den Notar gerichtlich gegenüber der Insolvenzverwalterin geltend.
Im vorliegenden Rechtsstreit nehmen die Kl. die Bekl. unter anderem auf Ersatz der unnütz aufgewandten Prozesskosten in den wegen der fehlenden Aktivlegitimation erfolglosen Prozessen gegen den VR in Anspruch.
2 Aus den Gründen:
[13] "… 1. Das BG hat zu Unrecht angenommen, dass bereits das in der Haftpflichtversicherung grds. geltende Trennungsprinzip einem Erfolg der Klagen gegen den VR von vornherein entgegengestanden habe."
[14] a) Dieses Trennungsprinzip besagt, dass grds. im Haftpflichtprozess zu entscheiden ist, ob und in welcher Höhe der VN dem Dritten gegenüber haftet, und im Deckungsprozess geklärt wird, ob der VR dafür eintrittspflichtig ist (Senat VersR 2011, 1003 Rn 16 m.w.N.; st. Rspr.).
[15] Das ist im Streitfall nicht deshalb anders, weil über den Nachlass des haftpflichtigen Notars das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet worden ist. Ein Direktanspruch des Geschädigten, wie er heute in § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VVG geregelt ist, besteht nicht, weil die Pflichtverletzung des Notars im Jahre 2001 geschah, der Versicherungsfall also vor dem Stichtag des Art. 1 Abs. 2 EGVVG eintrat und deshalb das VVG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (im Folgenden VVG a.F.) anzuwenden ist. Den Kl. stand daher lediglich das Absonderungsrecht des § 157 VVG a.F. zu (vgl. auch § 110 VVG 2008).
[16] Zwar kann dieses Recht auf abgesonderte Befriedigung ebenfalls dazu führen, dass der Geschädigte den Haftpflichtversicherer des Schädigers auch ohne Pfändung und Überweisung des Deckungsanspruchs unmittelbar auf Zahlung in Anspruch nehmen kann. Dies gilt aber nur, wie der Senat mehrfach entschieden hat, unter der weiteren Voraussetzung, dass der Haftpflichtanspruch des Geschädigten gem. § 154 Abs. 1 S. 1 VVG a.F. festgestellt worden ist, weil dieser durch § 157 VVG a.F. keine weitergehende Rechtsstellung als der VN erlangt (Senat VersR 2004, 634 unter II 2 juris Rn 11; 1993, 1222 unter 1b juris Rn 7; 1991, 414 unter 2 juris Rn 16). An einer solchen Feststellung fehlte es hier. Insbesondere hatte die Insolvenzverwalterin den Anspruch nicht anerkannt.
[17] b) Verkannt hat das BG aber, dass eine Ausnahme vom Grundsatz der Notwendigkeit vorheriger Feststellu...