VVG § 28; AVB Wohngebäudeversicherung § 26
Leitsatz
Zu den Fragen, die der VR nach Anzeige eines Versicherungsfalls stellen darf, gehören auch solche, die der Einschätzung des subjektiven Risikos dienen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
BGH, Beschl. v. 13.4.2016 – IV ZR 152/14
Sachverhalt
I. Der Kl., VN einer bei der Bekl. gehaltenen Wohngebäudeversicherung, begehrt die Feststellung, dass die Bekl. dem Grunde nach verpflichtet sei, Entschädigung für das am 15.9.2010 abgebrannte versicherte Gebäude, ein ehemals von den Söhnen des Kl. bewohntes Einfamilienhaus, zu leisten.
Am Abend des 15.9.2010 brannte das versicherte Gebäude ab. Im Rahmen ihrer für die Schadenregulierung erforderlichen Untersuchungen ging die Bekl. insb. auch der Frage nach, ob eine sog. Eigenbrandstiftung vorliege. Mit an den damaligen Rechtsanwalt des Kl. gerichtetem Schreiben vom 25.11.2010 fragte die Bekl. unter anderem:
" … vor dem Hintergrund einer möglichen vorsätzlichen Brandlegung müssen wir … [den Kl.] auch fragen, ob er Kenntnis über Sachverhalte hat, die den Verdacht nahelegen, dass K und/oder T den Brand gelegt haben. Haben Sie Kenntnis von Sachverhalten, wie z.B. finanzielle, berufliche oder persönliche Schwierigkeiten, die ein Motiv für eine Brandlegung seitens des K bzw. T darstellen können?"
Hierauf ließ der Kl. seinen Rechtsanwalt mit Schreiben vom 21.12.2010 antworten, dass er über irgendwelche finanziellen Probleme oder irgendwelche anders gelagerte Probleme seiner Kinder keinerlei Kenntnis habe. Da sei nach seinem Wissensstand nichts vorhanden.
Weitere Ermittlungen der Bekl. ergaben allerdings, dass K am 24.4.2009 wegen Computerbetruges zu einer – zur Bewährung ausgesetzten – Freiheitstrafe von acht Monaten verurteilt worden war. Er hatte in den Jahren 2006/2007 als Aushilfskraft einer Versicherungsagentur die Zeugin H (im Folgenden Geschädigte) im Zusammenhang mit dem Abschluss einer Sterbegeldversicherung dazu bewogen, 10.000 EUR auf ein von ihm eingerichtetes Konto zu zahlen und sodann unbefugt von diesem Geld insgesamt 6.816,88 EUR für sich entnommen. Im daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren hatte die zuständige Staatsanwaltschaft Ende April 2008 Gewinnabschöpfungsmaßnahmen eingeleitet. Zudem hatte der Leiter der Versicherungsagentur wegen stornierter Versicherungsverträge Provisionsrückzahlungsforderungen i.H.v. 3.000 EUR gegen K erhoben und nach einem Mahnverfahren titulieren lassen. K hatte am 10.3.2008 die eidesstattliche Versicherung abgegeben.
2 Aus den Gründen:
[12] "… 1. Bei der nach dem Brand des versicherten Hauses im Zuge der Regulierungsermittlungen gestellten Frage, ob der Kl. von wirtschaftlichen Schwierigkeiten seines Sohnes Kenntnis habe, handelte es sich um eine zur Feststellung des Versicherungsfalles erforderliche und deshalb zulässige Frage der Bekl."
[13] Nach § 26 Nr. 2 Buchst. a) hh) AVB hat der VN soweit möglich dem VR unverzüglich jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder des Umfangs der Leistungspflicht des VR erforderlich ist, sowie jede Untersuchung über Ursache und Höhe des Schadens zu gestatten.
[14] Nach st. Rspr. des Senats ist eine solche Aufklärungs- und Auskunftsobliegenheit weit gefasst. Ihr Zweck besteht – für den durchschnittlichen VN erkennbar – darin, den VR in die Lage zu versetzen, die Voraussetzungen seiner Eintrittspflicht sachgerecht zu prüfen, indem er Ursache und Umfang des Schadens ermittelt. Das schließt die Feststellung solcher mit dem Schadensereignis zusammenhängenden Tatsachen ein, aus denen sich – etwa nach § 81 VVG – seine Leistungsfreiheit gegenüber dem VN ergeben kann (vgl. Senat r+s 2006, 185 unter II 1a zu § 20 Nr. 1d VGB 88 … ). Der VN hat daher auf entsprechendes Verlangen solche Tatsachen wahrheitsgemäß und vollständig zu offenbaren, selbst wenn die Erfüllung der Auskunftsobliegenheit eigenen Interessen widerstreitet, weil sie dem VR erst ermöglicht, sich auf Leistungsfreiheit zu berufen (vgl. Senat VersR 2000, 222 unter II 3).
[15] Nach der Senatsrechtsprechung (vgl. Senat VersR 2015, 45 Rn 18 … ) ist es grds. Sache des VR, welche Angaben er zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält, um seine Entscheidung über die Leistungspflicht auf ausreichender und gesicherter Tatsachengrundlage treffen zu können. Dazu können auch Fragen nach den Vermögensverhältnissen des VN – oder hier: seiner Angehörigen – gehören, weil sich daraus für den VR Anhaltspunkte ergeben können, der Eintritt des Versicherungsfalles und die damit verbundene Entschädigungsleistung entspreche der finanziellen Interessenlage des VN. In diesem Zusammenhang genügt es, dass die vom VN geforderten Angaben zur Einschätzung des subjektiven Risikos überhaupt dienlich sein können, nicht hingegen kommt es darauf an, ob sich die Angaben nach dem Ergebnis der Prüfung als für die Frage der Leistungspflicht tatsächlich wesentlich erweisen. …
[16] 2. Im Streitfall hatte die Bekl. Anlass, das subjektive Risiko besonders zu prüfen, weil die Übertragung des Hauses auf den Kl. im Juli 2008 einen Anfangsverdacht...