Im Frühjahr 2016 hat nun auch der italienische Gesetzgeber den EU-Rahmenbeschluss zur Vollstreckung von Geldsanktionen in nationales Recht umgesetzt. Damit haben dies alle EU-Staaten mit Ausnahme von Griechenland getan.
Während früher dem Mandanten getrost geraten werden konnte, die zum Teil über ein Jahr nach dem vermeintlichen Delikt versendeten Knöllchen zu ignorieren, so ist dies heute nicht mehr empfehlenswert.
Auch wenn die Vollstreckungspraxis in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich ist, so besteht bei einer entsprechenden Passivität die Gefahr der Vollstreckung auch gegen den Halter. Die ausländische Bußgeldbehörde wendet sich in der Regel mangels der Daten des Fahrers an den Halter des Fahrzeuges und fordert diesen zur Zahlung oder Benennung des Fahrers auf. Erfolgt beides nicht, ergeht dann der Bescheid gegen den Halter.
Obwohl aufgrund der Rechtslage in Deutschland gerade solche Bescheide hier nicht vollstreckt werden dürfen, muss der Betroffene sich allerdings auf das Vollstreckungshindernis "fehlendes persönliches Verschulden" im Ausgangsverfahren berufen.
Bislang nutzen insbesondere die niederländischen Behörden die Möglichkeiten der gegenseitigen Vollstreckung. Es ist allerdings zu erwarten, dass die anderen Länder in den nächsten Jahren auch versuchen werden, die Vollstreckungen durchzuführen.
So ist beispielsweise auch die Rückwirkung nicht ausgeschlossen. In Italien beispielsweise beträgt die Vollstreckungsfrist fünf Jahre. Damit droht auch nach vielen Jahren noch die Vollstreckung in Deutschland.
Hier besteht erheblicher Beratungsbedarf. Immer mehr Reisende werden von den europäischen Knöllchen überrascht. Aus diesem Grunde ist es auch erforderlich, dass der Verkehrsanwalt zumindest Grundkenntnisse aus dem materiellen Recht der häufig bereisten europäischen Reiseländer beherrscht. So ist "ZTL" keine Abkürzung für einen italienischen Fernsehsender, sondern steht für "zona traffico limitato". Dieser Verkehrsverstoß ist vergleichbar dem Befahren einer Umweltzone ohne Plakette in Deutschland. Oft sind gerade diese Verstöße für die Mandaten besonders überraschend, da die Einfahrt in die Städte in der Regel ohne Kenntnis von dem Verbot erfolgt und das Schild in der Regel auch nur in der Landessprache verfasst wurde.
Der Mandant, dem die Zahlung der späten Urlaubserinnerung erspart bleibt, wird es Ihnen danken.
Aber auch das Zivilrecht bietet Betätigungsfelder für den Verkehrsanwalt. Aus immer mehr Ländern sind Vollstreckungsversuche von zivilrechtlichen Forderungen aus vermeintlichen Park- oder Mautverstößen zu beobachten. So erlangten z.B. die Stadt Pula in Kroatien oder das italienische Inkassobüro Nivi Berühmtheit.
Die erste Urlaubserinnerung in Form der Zahlungsaufforderungen erfolgt regelmäßig aus dem Ausland. Zahlt nachfolgend der Halter nicht die vermeintlich offene Forderung, führt dies häufig zur Weiterverfolgung der Forderung durch ein deutsches Inkassobüro. Um den Betroffenen zur Zahlung zu bewegen, wird die Zahlungsaufforderung oft mit der Androhung eines Schufa-Eintrages verbunden. Häufig ist dies der Grund für die Einschaltung des Rechtsanwalts.
Auch die zivilrechtliche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Unfällen in den Urlaubsländern ist immer häufiger Gegenstand der Mandatierung. Oft überfordern das jeweilige Landesrecht sowie die Möglichkeiten der Durchsetzung der Ansprüche den Geschädigten bzw. dessen Werkstatt. So kann der Verkehrsanwalt durch entsprechendes Fachwissen gegenüber dem Mandanten oder der Werkstatt glänzen. Dies betrifft die Frage, welches Landesrecht überhaupt anwendbar ist und im nächsten Schritt die Prüfung, welche Ansprüche nach dem jeweiligen Landesrecht überhaupt bestehen.
Autor: Dr. Frank Häcker
RA Dr. Frank Häcker, FA für Verkehrsrecht, FA für Strafrecht, Aschaffenburg
zfs 7/2016, S. 361