[11] "… 1. § 28 (7) VGB 2010 enthält eine sog. strenge Wiederherstellungsklausel. Sie orientiert sich nach st. Rspr. des Senats an dem für den durchschnittlichen VN erkennbaren Zweck der Neuwertversicherung, den Schaden auszugleichen, der dem VN dadurch entsteht, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wiederherstellt. Auf diesen tatsächlichen Schaden ist der Umfang des Ersatzanspruchs allerdings beschränkt. Die Neuwertversicherung soll grds. nicht auch solche Aufwendungen abdecken, die durch wesentliche Verbesserungen des Gebäudes bei seiner Wiedererrichtung verursacht wurden. Eine derartige Bereicherung des VN aus Anlass des Schadenfalles ist zu vermeiden, auch um das Interesse am Abbrennen des versicherten Gebäudes nicht zu fördern. Zweck der Wiederherstellungsklausel ist es deshalb zum einen, die Bereicherung durch die Neuwertentschädigung auf den Teil zu beschränken, der das Bedürfnis für die Neuwertversicherung begründet, also auf die ungeplanten, dem VN erst durch den Versicherungsfall aufgezwungenen Ausgaben (Senat r+s 2011, 433 Rn 16; VersR 1990, 488 unter 2 m.w.N. zu § 7 Abs. 3a VGB 62; VersR 1988, 925 unter II 1; jeweils m.w.N.)."
[12] Für den VN ersichtlich zielt die Bestimmung zum anderen aber auch auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des VR, der davor geschützt werden soll, dass der VN – wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen (Senat r+s 2011, 433 Rn 16; 2004, 238 unter II 1c m.w.N.). Solche unerwünschten Vermögensvorteile können auch darin bestehen, dass der VN zwar bereit ist, die durch eine Erweiterung oder wesentliche Veränderung des Neubaus gegenüber dem Vorgängergebäude entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen, im Übrigen aber auf die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Gebäude bei der Finanzierung des neuen Bauvorhabens zurückgreifen kann. Wollte man dem VN diesen Zugriff auf die Neuwertentschädigung für das abgebrannte Haus ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes zur freien Verwendung gestatten, wäre auch dadurch das subjektive Risiko erhöht, weil VN dann ebenfalls versucht sein könnten, zur Teilfinanzierung eines Neubauvorhabens den Versicherungsfall vorsätzlich herbeizuführen.
[13] 2. Mit seiner Erwägung, dem Erfordernis der Wiederherstellung des Gebäudes in etwa derselben Größe sei im Streitfall schon dadurch genügt, dass der Kl. nur die Neuwertspitze für das durch den Brand zerstörte Haus auf der Grundlage der Berechnungen des Obmanngutachtens und unter Berücksichtigung der festgestellten Unterversicherung verlange, konnte das BG allenfalls eine objektive Bereicherung des Kl. ausschließen. Darin erschöpft sich der Zweck der strengen Wiederherstellungsklausel aber nicht, weshalb sich die vom BG vorgenommene teleologische Reduktion des Erfordernisses der Wiederherstellung einer versicherten Sache gleicher Art und Zweckbestimmung verbietet. Stünde einem VN ungeachtet der Art und Zweckbestimmung des neu errichteten Gebäudes die Neuwertentschädigung bis zur Höhe des Neuwerts des zerstörten Gebäudes in jedem Falle zu, würde dies das subjektive Risiko erhöhen, dem die Wiederherstellungsklausel entgegenwirken soll.
[14] 3. Die Sicherstellung i.S.v. § 28 (7) VGB 2010 nach den gegebenen Umständen festzustellen, ist Sache des Tatrichters (vgl. Senat r+s 2011, 433 Rn 13). Insofern hat sich das BG bisher den Blick dafür verstellt, dass es anhand der gesamten baulichen Gegebenheiten auch feststellen muss, ob das im Bau befindliche neue Gebäude des Kl. von gleicher Art und Zweckbestimmung ist wie das durch den Brand zerstörte Haus. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung.“
zfs 7/2016, S. 397 - 398