Die Rechtsprechung zur gegenseitigen Anerkennung von EU-Führerscheinen ist mittlerweile gefestigt. Mitunter ist es schwierig, die Konsequenzen aus der im Europarecht nicht vorgenommenen Unterscheidung zwischen Fahrerlaubnis (der materiellen Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen) und Führerschein (das die Berechtigung verkörpernde Dokument) zu ziehen. Auf europäischer Ebene wird fast durchgängig der Begriff des Führerscheins gebraucht.
I. Fahrerlaubniserteilung – Ausstellung eines Ersatzdokuments
Ausgangspunkt für die gegenseitige Anerkennungspflicht von Führerscheinen in der EU (gemeint sind hier Fahrerlaubnisse) ist die Erteilung einer Fahrerlaubnis, europarechtlich ausgedrückt mit dem Begriff der Ausstellung eines Führerscheins. Das setzt eine Beurteilung der im Ausstellerstaat geltenden Erteilungsvoraussetzungen voraus. Schon wenn eine Äquivalenzprüfung der Fahrerlaubnisklassen durchgeführt wurde, ist von einer Fahrerlaubniserteilung auszugehen.
Wird lediglich ein Ersatzdokument ausgestellt, so fehlt es an einer solchen Prüfung. Aus einem solchen Führerschein folgt keine selbstständig anzuerkennende Fahrberechtigung. Jedenfalls der Code "71" in einem Führerscheindokument, der eine Dokumentenersetzung bezeichnet, belegt, dass keine Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen stattgefunden hat. Ob lediglich ein Umtausch im Sinn eines bloßen Dokumentenaustausches stattgefunden hat, ist an Code "70" und der Nummer des zuvor erteilten Führerscheins nicht sicher zu erkennen. Die in einem Führerschein eingetragenen Daten können widerlegen, dass bei der Ausstellung des neuen Dokuments eine Prüfung der Erteilungsvoraussetzungen stattgefunden hat: Das selbe Datum der Fahrerlaubniserteilung im umgetauschten (alten) wie auch dem neuen Führerschein belegt, dass hier lediglich ein Austausch des Dokuments stattgefunden hat. Das gilt auch für den Fall, dass das Datum der Erteilung der Fahrerlaubnis vor dem Ausstellungsdatum des Führerscheins liegt.
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass einem Umtausch eine gültige Fahrerlaubnis zugrunde liegen muss. Es ist daher nicht möglich, durch den Umtausch eines Führerscheins eine Fahrerlaubnis zu erlangen, die grundsätzlich von jedem anderen Mitgliedstaat anerkannt werden muss, wenn die Fahrerlaubnis, die angeblich umgetauscht werden soll, zuvor entzogen war. Art. 11 Abs. 1 S. 1 der Richtlinie 2006/126/EG ("Dritte Führerschein–Richtlinie") ordnet an, dass ein von einem Mitgliedstaat ausgestellter gültiger Führerschein in einen gleichwertigen Führerschein umgetauscht werden kann. Da mit dem Begriff der "Gültigkeit des Führerscheins" nach deutschem Verständnis die Gültigkeit der Fahrerlaubnis gemeint ist, kann mit dem umgetauschten Führerschein, dem keine gültige Fahrerlaubnis zugrunde liegt, nicht die Erteilung einer Fahrerlaubnis verbunden sein. Denn der Geltungsanspruch der im Wege des Umtauschs erlangten Fahrberechtigung knüpft an die Geltung der vorhandenen Fahrerlaubnis an.
II. Wohnsitzprinzip
Es ist letztlich noch nicht geklärt, ob eine Wohnsitzdauer von 185 Tagen im Ausstellerstaat bei Ausstellung des Führerscheins erfüllt sein muss oder ob es ausreicht, wenn ein Wohnsitz in der Weise begründet wird, dass es als gesichert anzunehmen ist, dass dort ein Aufent...