Eine Bindungswirkung kann nur in einem strafgerichtlichen Verfahren erfolgen, das eine Tat zum Gegenstand hat, bei der der Entzug der Fahrerlaubnis in Betracht kommt. Das folgt aus dem systematischen Zusammenhang von § 3 Abs. 3 StVG mit § 3 Abs. 4 StVG. Geht es nicht um eine Straftat im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, sondern etwa um eine Aggressionstat, kommt § 3 Abs. 4 S. 1 StVG nicht zur Anwendung.[78]

Strafgerichtliche Entscheidungen entfalten nach § 3 Abs. 4 S. 1 StVG nur zugunsten eines Betroffenen eine Bindungswirkung. Die Behörde darf nicht zum Nachteil des Betroffenen davon abweichen. Es ist daher möglich, im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren (Verwaltungsverfahren wie Gerichtsverfahren) einzuwenden, dass sich der Sachverhalt für den Einzelnen güns tiger als vom Strafgericht angenommen darstelle. Dazu muss aber geltend gemacht werden, dass neue Tatsachen oder Beweismittel vorliegen, die ein Wiederaufnahmeverfahren (§ 359 Nr. 5 StPO) zulässig machen oder sonst auf eine offensichtliche Unrichtigkeit der strafgerichtlichen Würdigung schließen lassen. Es ist erforderlich, dass etwa eine Beweiswürdigung aktenwidrig ist, gegen Denkgesetze, gesetzliche Beweisregeln oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen wurde oder die Entscheidung sonst objektiv willkürlich ist. Es müssen gerade die für die Kraftfahreignung maßgeblichen Tatsachen substantiiert angegriffen werden. Bloßes Bestreiten – etwa in dem Sinn, dass sich der Sachverhalt auch anders hätte abspielen können, als vom Strafgericht angenommen – genügt nicht.[79] Ebenso begründet allein der Umstand, dass ein Geständnis und das Ergebnis des Strafverfahrens auf einer Absprache nach § 257c StPO beruhen, keine gewichtigen Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit eines Strafurteils.[80]

[78] NdsOVG, Beschl. v. 2.12.2016 – 12 ME 142/16, NZV 2017, 149 (Entscheidungsvorstellung), BA 2017, 54 (Langfassung).
[79] NdsOVG, Beschl. v. 2.12.2016 – 12 ME 142/16, NZV 2017, 149 (Entscheidungsvorstellung), BA 2017, 54 (Langfassung).
[80] BayVGH, Beschl. v. 13.5.2015 – 11 ZB 14.1452, NZV 2015, 566, juris Rn 10.

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