Es ist fraglich, ob die dargestellte Gesetzesänderung nur klargestellt hat, was bei Inkrafttreten des neuen Fahreignungs-Bewertungssystems schon bestanden hat – mit der Konsequenz, dass von dieser Regelung alle Entscheidungen erfasst werden – oder ob es sich um eine Neuregelung handelt, die erst ab dem 5.12.2014 Geltung hat. Die Auffassung, dass das durch die Kenntnis der Behörde eingeschränkte Tattagprinzip bereits mit der Neufassung des Punktsystems zum 1.5.2014 beabsichtigt sein sollte, ist abzulehnen. Die in den Gesetzgebungsmaterialien angegebene bloße Klarstellungsfunktion dieser Regelung trifft nicht zu. Weder dem Wortlaut der Regelung der Neufassung des Punktsystems mit Wirkung zum 1.5.2014 noch den Gesetzgebungsmaterialien zur Neufassung des Punktsystems lässt sich entnehmen, dass das Tattagprinzip mit der Maßgabe gelten soll, dass nur die im Zeitpunkt des Ergreifens einer Maßnahme der Behörde bekannt gewordenen Zuwiderhandlungen von der Wirkung der Maßnahme erfasst werden. Insbesondere fehlt jeglicher Hinweis, dass die zitierte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Einbeziehung aller im Zeitpunkt einer Maßnahme begangenen Zuwiderhandlungen durch die Neufassung des Punktsystems schon zum 1.5.2014 nicht mehr Anwendung finden soll. Daher kann diese Modifizierung erst mit dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes vom 28.11.2014 am 5.12.2014 Wirkung entfalten.
Weiter stellt sich die Frage, ob diese Verschärfung als solche verfassungsrechtlichen Grenzen begegnet. Eine "unechte Rückwirkung" oder "tatbestandliche Rückanknüpfung" kann dann angenommen werden, wenn eine Zuwiderhandlung vor dem Inkrafttreten der Änderung am 5.12.2014 begangen, aber erst danach der Behörde bekannt wird. Denn durch die dargestellte Neuregelung wird die bei Begehung der Tat geregelte Rechtsfolge nachträglich geändert. Eine unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig. Ausnahmsweise ist sie unzulässig, wenn der Betroffene mit einer Neuregelung nicht zu rechnen brauchte oder wenn das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdiger als die mit dem Gesetz verfolgten Anliegen ist. Das Vertrauen auf den Fortbestand gesetzlicher Vorschriften ist aber regelmäßig nicht geschützt. Bei der Änderung des Mehrfachtäter-Punktsystems kann sich kein schützenswertes Vertrauen auf den Fortbestand der alten Regelung bilden. Denn der Verkehrssicherheit kommt überragende Bedeutung für das Gemeinwohl zu. Änderungen zum weitergehenden Schutz der Verkehrssicherheit sind daher zulässig.