(1) Unklar ist, ob ein Entzug der Fahrerlaubnis nach dem 1.5.2014 erfolgen kann, wenn Zuwiderhandlungen zugrunde liegen, die bis zum 30.4.2014 zu Punkten geführt haben, die nach dem 1.5.2014 aber nicht mehr mit Punkten zu bewerten sind (§ 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG). Denn der Gesetzgeber hat durch § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG zum Ausdruck gebracht, dass er die Zuwiderhandlungen, die bis zum 30.4.2014 gespeichert sind, aber ab dem 1.5.2014 nicht mehr zu speichern wären, nicht mehr zum Anknüpfungspunkt von Maßnahmen nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem gemacht werden sollen. Durch die Anordnung einer Löschung bereits eingetragener Auffälligkeiten würde eine – verfassungsrechtlich ohne Weiteres zulässige – Rückwirkung zugunsten der Betroffenen statuiert.
Dem sprechen aber die in der Rechtsprechung ausgeformten Grundsätze für die Anwendung der Maßnahmen nach dem Punktsystem zuwider. Nach dem Tattagprinzip, das auch für das neue Fahreignungs-Bewertungssystem gilt (ausdrücklich: § 4 Abs. 2 S. 3 StVG), ist abweichend von den allgemeinen Grundsätzen im Verwaltungsprozessrecht aufgrund materiellen Rechts für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Maß nahme der Zeitpunkt der Begehung der Zuwiderhandlung maßgeblich, die zum Erreichen von acht Punkten geführt hat. Das folgt aus der – nach dem alten Punktsystem wie dem neuen Fahreignungs-Bewertungssystem – gleich lautenden Formulierung, dass ein Fahrerlaubnisinhaber mit Erreichen des Punktestandes von acht Punkten (bis 30.4.2014: 18 Punkten) als ungeeignet gilt. Daher ist auch eine durch Zeitablauf eintretende Verringerung des Punktestands etwa bis zum Ergehen des Entzugsbescheids oder während des Widerspruchsverfahrens unmaßgeblich. Entsprechend ist auch beim Übergang vom alten zum neuen Punktsystem beim Erreichen der maßgeblichen Punkteschwelle die Fahrerlaubnis zu entziehen. Auch wenn dem Zuwiderhandlungen zugrundeliegen, die nach dem 1.5.2014 nicht mehr als verkehrssicherheitsgefährdend eingestuft und dementsprechend ab diesem Zeitpunkt gelöscht werden, sind sie bis dahin relevant und führen zwingend zu entsprechenden Maßnahmen. Auch den Gesetzgebungsmaterialien ist kein Anhalt zu entnehmen, dass der Gesetzgeber der Übergangsregelung in § 65 Abs. 3 Nr. 1 StVG eine entsprechende rückwirkende Wirkung zumessen wollte, so dass nach dieser Vorschrift ab dem 1.5.2014 zu löschende Eintragungen keine Grundlage mehr für einen Entzug der Fahrerlaubnis sein können, die am Tattag jedoch zur Ungeeignetheit nach dem Mehrfachtäter-Punktsystem geführt haben.
(2) Schwierigkeiten macht auch die Frage, wie eine Tat zu bewerten ist, die vor dem 30.4.2014 begangen, aber erst ab dem 1.5.2014 im Fahreignungsregister eingetragen wurde. Auch wenn das neue Recht ausdrücklich das Tattagprinzip als maßgeblich unterstreicht, regelt § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG diese Frage im Sinn einer Stichtagsregelung, die gerade bei Übergangsbestimmungen häufig angeordnet wird. Für alle ab dem 1.5.2014 im Fahreignungsregister gespeicherten Eintragungen hat der Gesetzgeber konsequent die Anwendung des neuen Rechts angeordnet, nicht nur in § 65 Abs. 3 Nr. 3 StVG, entsprechend auch im Umkehrschluss aus § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG. Für alle bis zum 30.4.2014 eingetragenen Auffälligkeiten hat der Gesetzgeber in § 65 Abs. 3 Nr. 2 und 4 StVG die Anwendung des alten Rechts bestimmt. In diesen Fällen ist der zum 30.4.2014 sich ergebende Punktestand zugrunde zu legen und umzurechnen. Die später im Fahreignungsregister hinzukommenden Eintragungen werden nach dem neuen System dem sich zuvor ergebenden Punktestand hinzugerechnet. Das begegnet mit Blick auf die unechte Rückwirkung (oder tatbestandliche Rückanknüpfung) keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Hinzu kommt, dass es sich um die Sondersituation einer Übergangsregelung handelt. Zuwiderhandlungen, die vor dem 30.4.2014 begangen, aber erst nach dem 1.5.2014 in das Register eingetragen werden, werden nach dem neuen Punktsystem dem Punktestand hinzugerechnet, der sich am Tattag (ohne Berücksichtigung der neuen Tat) nach der Umrechnungstabelle in § 65 Abs. 3 Nr. 4 StVG ergibt. Insofern ergibt sich eine Modifizierung des in § 4 Abs. 2 S. 3 StVG festgelegten Tattagprinzips.