BGB § 323 § 346 Abs. 1 § 437 Nr. 2
Leitsatz
1. Der Hersteller der Kaufsache ist nicht Erfüllungsgehilfe des Händlers gegenüber dem Käufer. Ein rechtlich selbstständiger VW-Vertragshändler muss sich daher im Verhältnis zum Käufer keine etwaige Arglist des VW-Konzerns zurechnen lassen.
2. Bei den vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeugen wäre eine Frist zur Nachbesserung von vier oder sechs Wochen nicht angemessen. Dem Käufer ist zumutbar, ggf. bis zum Ende des Jahres 2016 abzuwarten, um dem Verkäufer zu ermöglichen, das "Service-Konzept" des VW-Konzerns auch an seinem Fahrzeug umzusetzen.
3. Die Wirksamkeit eines vorher erklärten Rücktritts scheitert jedenfalls daran, dass der Käufer dem Verkäufer keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat bzw. dass die angemessene Frist zur Nacherfüllung noch nicht abgelaufen ist.
LG Frankenthal, Urt. v. 12.5.2016 – 8 O 208/15 (nicht rkr.)
Sachverhalt
Der Kl. erwarb aufgrund eines Kaufvertrages vom 21.12.2012 von der Bekl., die u.a. eine Vertragshändlerin der Audi AG ist, einen gebrauchten Pkw des Typs Audi A3 zum Preis von 23.490 EUR. Das am 23.4.2012 erstmals zugelassene Fahrzeug hatte eine Laufleistung von 26.500 km und war mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgerüstet. Ab der Auslieferung des Fahrzeuges am 9.1.2013 legte der Kl. bis zum 8.2.2016 ca. 90.000 km zurück.
Nachdem der Kl. im September 2015 von dem sein Fahrzeug betreffenden Abgasskandal Kenntnis erlangt hatte, machte er im Oktober 2015 gegenüber der Bekl. durch den von ihm beauftragten Anwalt unter Hinweis auf "das Problem der Abgaswerte" Gewährleistungs- und Schadensersatzansprüche geltend und forderte die Bekl. zur Stellungnahme auf.
Nachdem die Bekl. hierauf nicht reagierte, ließ der Kl. in einem weiteren Anwaltsschreiben, dessen Zugang die Bekl. bestreitet, die Bekl. auffordern, den Kaufvertrag binnen 11 Tagen vollständig und mangelfrei zu erfüllen, in einem weiteren Anwaltsschreiben v. 28.12.2015 ließ der Kl. sodann die "Wandelung" des mit der Bekl. geschlossenen Kaufvertrags erklären und forderte diese auf, den gezahlten Kaufpreis Zug um Zug gegen Rückgabe des Kfz zurückzuzahlen. Mit der Klage hat der Kl. die vollständige Rückzahlung des Kaufpreises ohne Berücksichtigung der von ihm gezogenen Nutzungen verfolgt.
Das LG wies die Klage ab.
2 Aus den Gründen
" … Die Klage ist unbegründet. Der Kl. ist nicht gem. §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB wirksam von dem mit der Bekl. geschlossenen Kaufvertrag zurückgetreten und hat deshalb auch nicht gem. § 346 Abs. 1 BGB Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Kaufpreises."
1. Dabei kann zugunsten des Kl. davon ausgegangen werden, dass die Tatsache, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig vom sog. VW-Abgasskandal betroffen ist, also mit einer Software ausgestattet ist, die den Schadstoffausstoß im Testbetrieb manipuliert und es die geltenden Abgasgrenzen deshalb nur scheinbar einhält, als Fahrzeugmangel anzusehen ist. Dies folgt im Grunde genommen schon daraus, dass das Fahrzeug auch nach dem Vorbringen der Bekl. im Laufe des Jahres 2016 einem Software-Update unterzogen werden muss, um den entsprechenden Auflagen des Kraftfahrtbundesamtes zu genügen und nicht den Verlust der Allgemeinen Betriebserlaubnis zu riskieren. Wenn es dem Kl. m.a.W. nicht freisteht, dem Rückruf seines Fahrzeugs im Laufe des Jahres 2016 Folge zu leisten und dessen Zulassung zum Straßenverkehr damit zu erhalten, dann kann aus dem derzeitigen Fehlen des beim Rückruf aufzuspielenden Software-Updates auch auf die Mangelhaftigkeit des klägerischen Fahrzeugs geschlossen werden. Ergänzend wird in diesem Zusammenhang auf die Ausführungen in den von der Bekl. zitierten Urteilen des LG Münster v. 14.3.2016 (11 O 341/15, juris Rn 18) und des LG Bochum v. 16.3.2016 (2 O 425/15, juris Rn 17) Bezug genommen.
2. Ein wirksamer Rücktritt des Kl. wegen dieses Mangels scheitert jedenfalls daran, dass der Kl. der Bekl. vor Erklärung seiner “Wandelung', die als Rücktritt auszulegen ist (§§ 133, 157 BGB), keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat bzw. eine solche weder bei Klageerhebung noch zum gem. § 128 Abs. 2 S. 2 ZPO maßgeblichen Zeitpunkt abgelaufen gewesen wäre. Gem. §§ 437 Nr. 3, 323 Abs. 1 BGB setzt der Rücktritt des Käufers wegen eines behebbaren Mangels voraus, dass der Mangel nicht nur erheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB), sondern dass der Käufer dem Verkäufer vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung bestimmt hat.
a) Eine derartige Fristsetzung war entgegen der Auffassung des Kl. nicht entbehrlich, weil die Bekl. den streitgegenständlichen Mangel arglistig verschwiegen habe. Zwar ist richtig, dass der BGH insb. in Fällen, in denen der Verkäufer den Käufer bei Vertragsschluss über die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes getäuscht hat, regelmäßig ein berechtigtes Interesse des Käufers annimmt, von einer weiteren Zusammenarbeit mit dem Verkäufer Abstand zu nehmen, um sich vor eventuellen neuerlichen Täuschungsversuchen zu schützen, und deshalb dem Verkäufer gem. §§ 440, 281 Abs. 2, 323 Abs. 2...