Der Betrieb von Dieselfahrzeugen führt zu der Emission von Stickstoffoxiden, die überall dort entstehen, wo Verbrennungsvorgänge bei hohen Temperaturen und unter Sauerstoffüberschuss ablaufen. Neben konventionellen Kohlekraftwerken und Hausfeuerungsanlagen in der chemischen Industrie treten vor allem bei dem Betrieb von Dieselmotoren von Kfz Stickstoffoxide auf, die wegen der unterschiedlichen chemischen Konfigurationen als Stickstoffmonoxide und Stickstoffdioxide unter der Formel NOx zusammengefasst werden. Nach gesicherter Erkenntnis greifen Stickoxide die Atmungsorgane an und können Katarrhe und Infektionen herbeiführen. Unter Mitwirkung organischer Substanzen ("Feinstaub") tragen sie zum Smog bei (vgl. Brockhaus-Enzyklopädie, 19. Aufl., Stichworte Stickstoffverringerungen und Smog).
1. Den mit dem Austritt von Autoabgasen vor allem bei Dieselfahrzeugen verbundenen Verschlechterungen der Luftqualität ist zuletzt die EU durch eine Verordnung im Jahre 2007 entgegengetreten (vgl. VO Nr. 15/2007 des Europäischen Parlamentes und des Rates von 20.6.2007 – Amtsblatt der EU L 171/1). Seit dem März 2001 hatte die EU in dem Programm "Saubere Luft für Europa" (Cafe) das Senken der Emissionen als Teil einer Gesamtstrategie – neben der Einwirkung auf weitere Quellen von schädigenden Emissionen – verfolgt und zu diesem Zweck Vorgaben zu den zulässigen Grenzwerten durch Einführung von Normen der Ausgestaltung von Kfz (Euro-5 und Euro-6) zur Verringerung von Emissionen von Partikeln und Ozonvorläuferstoffen wie Stickstoffoxiden und Kohlenwasserstoffen eingeführt (vgl. Erwägungsgründe 4–6). Der sog. Abgasskandal, der den mitgeteilten Entscheidungen zugrunde liegt ("Dieselgate"), betrifft lediglich angenommene Manipulationen der Stickstoffoxidwerte bei der Emission von Dieselfahrzeugen, so dass im Folgenden allein auf sie eingegangen werden soll.
2. Ansatzpunkt für die Kontrolle der zulässigen Grenzwerte der Stickstoffoxide bei dem Betrieb der Dieselfahrzeuge ist das Typengenehmigungsverfahren. Der Hersteller ist nach der Verordnung bei Neufahrzeugen verpflichtet, zur Erteilung der Typengenehmigung den Nachweis zu führen, dass das Fahrzeug bestimmte Grenzwerte von Emissionen (bei Dieselfahrzeugen vor allem der Stickstoffoxide) einhält. Die Abgaswerte, die unter Laborbedingungen ermittelt werden, werden aufgrund eines Testlaufs, bestehend aus fünf synthetischen Fahrkurven ermittelt (Neuer Europäischer Fahrzyklus – NEFZ; vgl. Art. 1–5, 10 der VO).
Bei Erlass der Verordnung wurde ausdrücklich davon abgesehen, transportable Emissionsmesseinrichtungen zur Kontrolle der einzuhaltenden Grenzwerte von Stickstoffemissionen einzuführen (Artikel 15 der Erwägungsgründe), was bei einer "Nachmessung" der im realen Straßenverkehr erreichten Emissionswerte von Stickoxiden zu geradezu grotesken Überschreitungen geführt haben soll. Das Umweltbundesamt veröffentlichte Zahlen zur Umweltbelastung durch Stickstoffoxide aufgrund des Betriebes von Dieselfahrzeugen, wonach die durchschnittliche Stickstoffemission von Euro-5-Fahrzeugen 906 g je Kilometer betrage, wobei zugrunde gelegt wurde, dass die Hälfte der Fahrleistungen in Deutschland bei Außentemperaturen von weniger als 10 Grad Celsius erbracht werden. Der Realwert von Euro-6-Fahrzeugen betrug 507 g je Kilometer. Die entsprechenden Referenzzahlen für Euro-5-Fahrzeuge betragen nach der Verordnung 180 g je Kilometer, die für Euro-6-Fahrzeuge 80 mg pro Kilometer. Überspitzt lässt sich das auf die Aussage zurückführen, dass Umweltschutz gegenüber emittierten Stickstoffoxiden derzeit nur im Labor stattfindet (vgl. FAZ v. 9.5.3017, Seite T 1).
Die Gefahr zu niedriger Grenzwerte hat die Kommission gesehen, wie sich dem Erwägungsgrund 15 entnehmen lässt. Erörtert wird, ob der NEFZ zwangsläufig zu zu niedrigen Werten führt und deshalb angepasst werden muss, was für die Hersteller zu einem größeren – an Kunden weiterzugebenden – Aufwand führen kann. Da es letztlich das Ziel ist, dass die im Typengenehmigungsverfahren unter Laborbedingungen gemessenen Werte den Werten bei einem Einsatz im realen Straßenverkehr entsprechen, sind Auseinandersetzungen über neue Messmethoden sowie die Belastungen von Herstellern und Kunden zwischen Sachverständigen und Politikern vorhersehbar.
Das gilt umso mehr, als die Europäische Union ab Herbst 2017 RDE-Messungen vorschreibt, die Emissionsbildungen im realen Straßenverkehr genauer abbilden soll. Bei erstmaliger Zulassung von Dieselfahrzeugen soll der – nach wie vor unter Laborbedingungen – gemessene Wert nur dann unbedenklich sein, wenn dessen Multiplikation mit dem Anpassungsfaktor von 2,1 hinter dem Wert im realen Straßenverkehr zurückbleibt.
Kostenträchtige Technologien zur dauerhaften Absenkung der Emissionswerte sind vorhanden. Neben Tanks zur Zuführung senkender Harnstoffe ist eine Nachrüstung mit einem Stickstoffkatalysator (SCR-Kat) im Gespräch. Wesentliches Problem ist allein die Frage der Kostentragung, die bei der Abwälzung auf den Kunden die Marktchancen von Di...