BGB § 323 Abs. 5 S. 2 § 434 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
1. Sorgt eine Umschalteinrichtung in einem Dieselfahrzeug im Prüfstandsbetrieb durch eine Abgasreinigung dafür, dass bessere Emissionswerte vorgetäuscht werden, liegt eine nicht eingehaltene Beschaffenheitsvereinbarung vor.
2. Ein Rücktritt des Käufers ist wegen der nicht eingehaltenen Beschaffenheitsvereinbarung ausgeschlossen, wenn bei Behebbarkeit des Mangels die Bagatellgrenze von 5 % des Kaufpreises unterschritten wird.
(Leitsätze der Schriftleitung)
LG Bochum, Urt. v. 16.3.2016 – I-2 O 425/15
Sachverhalt
Der Kl. macht den Rücktritt von einem Kaufvertrag über ein Kfz geltend, bei dem im Rahmen des Prüfbetriebes durch eine Umschaltung auf Abgasreinigung andere Befunde verfälschende günstigere Stichstoffoxidwerte ausgewiesen wurden. Zwischen den Parteien war es unstreitig, dass ein behebbarer Mangel vorlag und nach dem von dem Kraftfahrtbundesamt genehmigten Maßnahmenplan durch ein Update des Prüfverfahrens bei der Abgasbestimmung mit einem Kostenaufwand von ca. 0,26 % des Kaufpreises der zulässige Abgaswert erreicht werden könne. Dem Käufer des Kfz sei es damit zuzumuten, die Durchführung der Nacherfüllung abzuwarten.
2 Aus den Gründen:
" … Das vom Kl. erworbene Fahrzeug ist mangelhaft. Auch nach den Darlegungen der Bekl. ist darin eine Umschaltlogik verbaut, die dafür sorgt, dass das Fahrzeug im Prüfstandsbetrieb andere Emissionswerte vortäuscht als es im normalen Straßenverkehr einhalten kann. Dies hat nichts mit dem Unterschied zwischen dem synthetischem Prüfstandsbetrieb und Alltagsbetrieb zu tun. Selbstverständlich unterscheiden sich die Emissionswerte im Alltagsbetrieb eines Fahrzeugs von denen in einem synthetischen Prüfzyklus. Das ergibt sich schon daraus, dass sie von einer Vielzahl von Faktoren wie Fahrverhalten, Verkehrsfluss usw. abhängig sind, die im Prüfzyklus nur standardisiert stattfinden. Dennoch besteht bei einem die Prüfstandswerte nicht manipulierenden Fahrzeug die Gewähr dafür, dass die Vermeidung schädlicher Emissionen im Straßenverkehr mit derselben Effektivität wie auf dem Prüfstand erfolgt. Dies ist bei dem klägerischen Pkw jedoch nicht der Fall. Hier sorgt eine technische Vorrichtung dafür, dass im Prüfstandsbetrieb eine Abgasreinigung vorgetäuscht wird, die im Alltagsbetrieb schon grds. nicht stattfindet. Dabei ist entgegen der Ansicht der Bekl. unerheblich, ob dies durch Manipulationen der Abgasrückführung oder Abschaltung des Emissionskontrollsystems erfolgt. Welche technischen Maßnahmen der Fahrzeughersteller gewählt hat, um in unzulässiger Weise bessere Emissionswerte vorzutäuschen, ist ohne Belang. Ebenso ist unerheblich, ob man diese Software als Schummelsoftware bezeichnet oder nicht."
Ein Rücktritt des Kl. ist jedoch gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ausgeschlossen, da die Pflichtverletzung der Bekl. unerheblich ist. Im Rahmen der Erheblichkeitsprüfung gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Im Rahmen dieser umfassenden Interessenabwägung ist bei behebbaren Mängeln grds. auf die Kosten der Mängelbeseitigung abzustellen (BGH, Urt. v. 28.5.2014 – VIII ZR 94/13, BGHZ 201, 290–310). Hier ist nach derzeitigem Erkenntnisstand der Mangel behebbar. Das KBA hat dem von der W1 AG vorgelegten Maßnahmenplan zugestimmt, so dass nach Durchführung der festgelegten Maßnahmen nach Einschätzung des KBA eine Beseitigung des Mangels erfolgt sein wird. Von einer Geringfügigkeit eines behebbaren Mangels und damit von einer Unerheblichkeit der Pflichtverletzung ist nach dem BGH i.d.R. auszugehen, wenn die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind (BGH a.a.O.). Bei einem Mangelbeseitigungsaufwand von nur knapp 1 % des Kaufpreises liegt dieser ohne Zweifel unterhalb der Bagatellgrenze (BGH, Urt. v. 14.9.2005 – VIII ZR 363/04, Rn 43, juris). Bei dem Fahrzeug des Kl. wird die Mängelbeseitigung nach Behauptung der Bekl. einen Kostenaufwand von ca. 0,26 % des Kaufpreises des Pkw verursachen und liegt damit unterhalb der regelmäßig zu beachtenden Bagatellgrenze. Für eine Abweichung vom Regelfall besteht hier keine Veranlassung. Erhebliche Umstände hierfür hat der Kl. nicht dargetan. Zwar hat er die Höhe der Mängelbeseitigungskosten bestritten. Dies erfolgte jedoch ins Blaue hinein und ist daher unbeachtlich. Der Kl. hat nichts dafür vorgetragen, warum das Einspielen eines Softwareupdates, so wie dies mit dem KBA abgestimmt ist, höhere Kosten als 100 EUR verursachen soll. Selbst wenn man zu den Kosten der Einspielung der Software noch anteilige Entwicklungskosten des Updates hinzurechnen würde, so ist plausibel und nachvollziehbar, dass auch dann die Mängelbeseitigungskosten nicht mehr als 100 EUR betragen, da die Entwicklungskosten auf mehr als zwei Millionen betroffene Fahrzeuge umzulegen sind.
Ferner ist im Rahmen der Pflichtverletzung, die die Bekl. gem. § 323 Abs. 5 S. 2 BGB treffen muss, zu berücksichtigen, dass sie selbst davon abhängig ist, welche Nachbesserungsmaßnahmen seitens des...