VVG § 172; BB-BUZ § 2 Abs. 1
Leitsatz
1. In welchem Umfang die Lebensstellung des VN von seiner ursprünglichen Ausbildung oder von einer davon abweichenden Berufserfahrung geprägt ist, hängt auch davon ab, wie weit er sich im Rahmen seiner beruflichen Laufbahn durch die Ausübung ausbildungsferner Tätigkeiten von seinem ursprünglichen Ausbildungsberuf entfernt hat.
2. Da das allgemeine Risiko, seinen Arbeitsplatz zu verlieren, in der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht mitversichert ist, müssen die allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt und die sich darauf gründende Chance auf den Erhalt einer neuen Arbeitsstelle jedenfalls dann unberücksichtigt bleiben, wenn der VN im Falle einer konkreten Verweisung die seine Lebensstellung prägende Verweisungstätigkeit nach zweieinhalb Jahren infolge nicht krankheitsbedingter Kündigung verloren hat.
OLG Hamm, Urt. v. 4.7.2016 – 6 U 222/15
Sachverhalt
Der Leistungen aus einer BU-Versicherung begehrende Kl. ist gelernter Energieelektroniker. Er hat seine dreijährige Ausbildung mit der Fachrichtung "Anlagentechnik" im Zeitraum von 1992 bis 1995 bei der F absolviert. Anschließend war er bis 1999 bei der Bundeswehr als Kommunikationselektroniker tätig. Nach einer halbjährigen Weiterbildung zum Systemelektroniker war er von 1999 bis 2003 bei einem EDV-Servicecenter angestellt. Dort hat er Computer eingerichtet, Drucker und Kopierer gewartet, sowie Diktiergeräte instandgesetzt. Anschließend war er in der Zeit von 2003 bis 2009 für die Dauer von rund 6 Jahren als Wachmann im Sicherheitsdienst tätig. Dort hat er Aufgaben als Pförtner, Nachtwächter und Rundgänger wahrgenommen. Ab dem Jahr 2009 war er für die Firma E in einem Logistikzentrum als Haustechniker tätig. Dort ist er in der Folgezeit zum stellvertretenden Werkstattleiter aufgestiegen. Zu seinem Anforderungsprofil gehörte eine abgeschlossene Ausbildung der Elektrotechnik. Er war dort zuständig für allgemeine Wartungen, für kleinere Reparaturen und für die Kontrolle größerer Reparaturen der Anlagen durch Fremdfirmen. Hinsichtlich Art und Umfang der von ihm zu erledigenden Aufgaben hatte er eine – im Wesentlichen – eigenständige Entscheidungsbefugnis. Außerdem war er weisungsbefugt gegenüber acht Aushilfen und einem Angestellten. Er hat an Schulungen und Lehrgängen teilgenommen. Sein Monatsgehalt betrug 2.083,65 EUR brutto durchschnittlich, zuzüglich einer Zulage i.H.v. 200 EUR für den Bereitschaftsdienst.
Von Dezember 2011 bis Dezember 2012 war der Kl. arbeitsunfähig erkrankt. Nachdem er mit Schreiben v. 9.11.2012 Ansprüche wegen Berufsunfähigkeit gegenüber der Bekl. angezeigt hatte, wechselte er innerhalb der Firma seines Arbeitgebers den Arbeitsplatz. Mit Wirkung zum 1.1.2013 war er nach einer speziellen Schulung, die in der Einweisung mit dem Umgang der in der Lagerverwaltung verwendeten Computersystemen bestand, bei der E als Ausgangsexpedient im Bereich Transport/Transportdisposition in demselben Logistikzentrum eingesetzt. Anforderungsprofil für diese Tätigkeit war eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung, auf die die Firma aufgrund der Berufserfahrung des Kl. und der durchgeführten speziellen Schulung verzichtete. Als Ausgangsexpedient war der Kl. zuständig für die Erstellung und Verwaltung der Liefer- und Palettenscheine, sowie der Gefahrgutpapiere. Die Prüfung der Einhaltung der entsprechenden Vorschriften durch die Lkw-Fahrer durch den Kl. erfolgte eigenverantwortlich. Außerdem hatte der Kl. Weisungsbefugnis gegenüber dem Hof- und Verladepersonal. Sein Gehalt betrug ca. 2.100 EUR brutto monatlich ohne Zulagen.
Mit Schreiben v. 23.5.2013 und v. 30.5.2013 gab die Bekl. ein bis zum 31.12.2012 befristetes Anerkenntnis ab und lehnte die Fortleistung der Versicherungsbeträge über den 31.12.2012 hinaus ab unter Verweisung auf die neue Arbeitstätigkeit des Kl. als Ausgangsexpedient.
2 Aus den Gründen:
" … Dem Kl. steht gegen die Bekl. kein Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag über den 31.12.2012 hinaus zu."
1) Das LG hat zu Recht festgestellt, dass die Bekl. ein wirksames – auf § 5 Abs. 2 BB-BUZ gestütztes – befristetes Anerkenntnis unter Verweis auf die vom Kl. konkret ausgeübte Tätigkeit als Expedient ausgesprochen hat, womit es ihre Leistungspflicht auf den 31.12.2012 beschränkt hat. Diese Feststellungen werden vom Kl. mit der Berufung nicht angegriffen.
2) Voraussetzung für die bedingungsgemäße Gewährung von Versicherungsleistungen über den 31.12.2012 hinaus ist gem. § 2 Abs.1 BB-BUZ daher, dass der Kl. infolge Krankheit nicht nur seinen bisherigen Beruf als stellvertretender Werkstattleiter nicht mehr ausüben kann, sondern dass er außerstande ist, auch eine andere Tätigkeit auszuüben, die er aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten ausüben kann und die seiner bisherigen Lebensstellung entspricht. Daran fehlt es, denn der Kl. ist aufgrund seiner Kenntnisse und Fähigkeiten jedenfalls in der Lage die nach seiner Erkrankung tatsächlich aufgenommene Tätigkeit als Expedient auszuüben. Die...