Zu vage bleibt der BGH sicher bei der Einkreisung der technischen Mittel und Wege, die zu einer datenschutzrechtlich zulässigen Aufzeichnung im Sinne seiner Entscheidung führen. Einigkeit bestand schon seit Längerem darin, dass anlassbezogen und kurzzeitig aufgezeichnet werden könnte. Es wäre sicherlich begrüßenswert gewesen, wenn der BGH hier im Rahmen des für den zu entscheidenden Fall Erforderlichen Stellung bezogen hätte, wie eine von ihm als datenschutzkonform bezeichnete Aufnahme unter technischen Gesichtspunkten aussehen könnte.
Sicherlich unglücklich, wenn auch nicht zu ändern, ist die Tatsache, dass der Fall noch nach inzwischen altem Recht zu entscheiden war. Am 25.5.2018 ist europaweit die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft getreten, die gemeinsam mit einem neuen Bundesdatenschutzgesetz die alte Rechtslage abändert.
Wenngleich die alten und neuen Datenschutzvorschriften in Sachen Schutz der Persönlichkeitsrechte weitestgehend identisch sind, so könnte doch der von Nebel sicher berechtigt vorgetragene Gedanke, bei dem Filmenden handele es sich ggf. um einen datenschutzrechtlich "Verantwortlichen" i.S.d. Art. 4 Nr. 7 DSGVO, bei der Bewertung des Bestehens eines Datenschutzverstoßes künftig relevant werden – ungeachtet der kaum darstellbaren organisatorischen Folgen, die das für den Filmenden nach sich ziehen würde.
Unsicherheiten bestehen in jedem Fall im Zusammenhang mit Unfällen im ruhenden Verkehr, soweit die Kamera dauerhaft mitläuft. Das dürfte umso mehr gelten, wenn sich der Unfall nicht im öffentlichen Verkehrsraum ereignet, sondern z.B. auf einem Parkplatz oder einem Privatgrundstück. In diesem Fällen ist es nicht unwahrscheinlich, dass eine nach den Maßstäben des BGH durchgeführte Interessenabwägung zu einem negativen Ergebnis für den Filmenden führt.
Sicherlich nicht ganz unerheblich ist das Risiko auch aus strafrechtlicher Sicht für den Filmenden selbst. Was gilt, wenn er ein Video aus der Dashcam nach einem Unfall an die Polizei weitergibt? Wie steht es mit seinen (straf-)prozessualen Rechten, wenn das Video einen eigenen Verkehrsverstoß zeigt oder an die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde weitergeleitet wird? Wie wird sich die Polizei künftig verhalten, wenn Dashcams vorhanden sind und nicht nur Verkehrsordnungswidrigkeiten, sondern ggf. auch -straftaten aufgeklärt werden müssen. Hier besteht insbesondere das Risiko der Beschlagnahme der Kamera.
Mit Blick auf die Tatsache, dass es ob der Datenschutz-Grundverordnung immer noch an einer europaweit einheitlichen Regelung zu der Verwendung von Dashcams fehlt, ist sicher auch weiterhin der europäische und/oder nationale Gesetzgeber aufgerufen, hier für klare Spielregeln in allen Rechtsgebieten zu sorgen. Diese Forderung wurde bereits auf dem 54. Verkehrsgerichtstag in Goslar gestellt und ist heute aktueller denn je.
Für die anwaltliche Beratungspraxis bleibt der weitere Weg ungewiss. Sicher können dem Mandanten allerdings die vom BGH bereits konkretisierten und auch sonst in Rechtsprechung und Literatur vertretenen sowie durch den Verkehrsgerichtstag schon gestellten Anforderungen an eine zulässige Dashcam-Aufnahme vermittelt werden:
Die Aufnahme sollte grundsätzlich nur so lang wie gerade erforderlich sein. Ein nachträgliches Zuschneiden ersetzt eine von vornherein lediglich kurze Speicherdauer nicht.
Unter Berücksichtigung nur datenschutzrechtlicher Vorschriften dürften anlasslos erstellte Aufnahmen generell unzulässig sein. Es empfiehlt sich daher, die Kamera grundsätzlich nur in der Gestalt zu betreiben, als dass sie erst bei einem Unfall, einer starken Verzögerung des Fahrzeugs oder durch manuelle Auslösung – und dann jeweils ggf. rückwirkend – aufzeichnet. So ist sichergestellt, dass der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Unfallgegners und auch aller Unbeteiligten möglichst niederschwellig ausfällt.
Aufnahmen sollten grundsätzlich nicht veröffentlicht und nur zur Durchsetzung eigener Ansprüche verwendet werden. Eine Veröffentlichung z.B. im Internet, ist nicht gestattet und erhöht das Risiko einer Ahndung durch die datenschutzrechtliche Aufsichtsbehörde.
In schon laufenden Prozessen, in denen Aufnahmen zur Verfügung stehen, sollten diese eingebracht werden. Hier haben die Vertreter beider Parteien darauf zu achten, dass die Aufnahmen den durch den BGH und insbesondere auch das OLG Nürnberg skizzierten Anforderungen entsprechen. Aller Voraussicht nach wird trotz der Verwendung einer Dashcam häufig die Hinzuziehung eines Sachverständigen notwendig sein. Bei der Auswahl des Sachverständigen ist darauf zu achten, dass neben der Rekonstruktion auch noch weitere Fachgebiete des Sachverständigen von Bedeutung sein können, z.B. Kamera- und Videotechnik bzw. Videoanalyse.
Wie sich Dashcam-Aufnahmen in der Praxis etablieren werden, bleibt abzuwarten. Sicher ist, dass durch die Entscheidung des BGH sicher der ein oder andere Verkehrsteilnehmer eine solche Kamera in seinem Pkw verbauen und so die Anzahl der Verfahren, in denen k...