Haftungsrisiken für Versicherer und Rechtsanwälte
A. Einleitung
Seit mehr als zehn Jahren existiert in Deutschland die Fahrerschutzversicherung, die den Kraftfahrzeugführer im Wesentlichen so stellt, wie die sonstigen Insassen im Kfz. Dies bedeutet, dass der Fahrer beim Führen des Fahrzeugs bei selbstverschuldeten oder mitverschuldeten Unfällen Schadenersatz wie ein sonstiger Insasse im Kfz für seine Personenschäden erhält. Er kann im Regelfall einen Schmerzensgeldanspruch, Entgeltschäden, Haushaltsführungsschäden sowie Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse bis hin zum behindertengerechten Umbau seines Hauses beanspruchen. Die Praxis zeigt, dass diese Versicherung nicht nur beim Versicherungskunden, sondern vielmehr auch beim Versicherungsagenten und vor allem bei dem in der Schadenregulierung tätigen Rechtsanwalt unbekannt ist, was zu Chancen aber auch erheblichen Haftungsrisiken in der Unfallschadenregulierung führt. Diese Chancen und Risiken sollen vorliegend aufgezeigt werden.
B. Zur Bekanntheit der Fahrerschutzversicherung in Deutschland
Die Fahrerschutzversicherung, die nach 2002 in Deutschland eingeführt wurde, ist nach wie vor unbekannt, was die tägliche Praxis des Verfassers belegt. Anlässlich von Fachvorträgen vor Fachanwälten im Verkehrsrecht stellt der Verfasser immer wieder fest, dass maximal 20 % der Fachanwälte im Verkehrsrecht die Fahrerschutzversicherung kennen. Dies korrespondiert mit der Befragung von unfallgeschädigten Mandanten, die auf die Frage nach der Fahrerschutzversicherung mit Kopfschütteln reagieren. Lässt man sich dann vom Unfallgeschädigten den Versicherungsschein vorlegen, zeigt sich zeitweise ein Einschluss der Fahrerschutzversicherung, ohne dass dem Versicherungsnehmer dies bewusst ist.
Schaut man sich schließlich die Einträge bei juris an, so findet man 17 Einträge zur Fahrerschutzversicherung. Davon zwei einschlägige Gerichtsentscheidungen und ansonsten Aufsätze, die vor allem durch Versicherungsaktuare erstellt wurden.
Von daher drängt sich die Frage auf, woran es liegt, dass die Fahrerschutzversicherung unbekannt ist. Möglicherweise beruht dies darauf, dass die Kfz-Haftpflichtversicherungen das Thema Fahrerschutzversicherung unter dem Oberbegriff der Unfallversicherungen behandeln. Möglicherweise beruht die Unkenntnis auch darauf, dass das Versicherungsprodukt "Fahrerschutzversicherung" nicht aktiv vermarktet wird, weil der Versicherungsagent aufgrund seines Provisionsinteresses lieber allgemeine Unfallversicherungen "an den Mann bringt", weil er unabhängig von der Laufzeit eines Kfz-Versicherungsvertrags eine jährliche Prämie erhält. Während eine allgemeine Unfallversicherung mithin für den Versicherer und den Agenten wirtschaftlich viel interessanter ist, als die Fahrerschutzversicherung ist diese bislang über ihr Nischendasein nicht hinausgekommen. Während den Versicherungsmaklern das Risikopotential einer Haftung offensichtlich bereits bewusst geworden ist, scheint dies beim klassischen Versicherer mit Außendienst noch nicht der Fall zu sein. Im Folgenden wird sich zeigen, dass dies für den Kfz-Versicherer mit erheblichen Haftungsrisiken verbunden ist.
C. Aktuelle Versicherungssituation
Im Jahre 2016 bestanden in der Bundesrepublik Deutschland bei den dem GDV angehörigen Versicherungen 114,1 Mio. Kraftfahrtversicherungen Gleichzeitig bestanden lediglich 3,8 Mio. Unfallversicherungen, während mehr als 28 Mio. Vollkaskoversicherungsverträge und mehr als 19 Mio. Teilkaskoversicherungsverträge unterhalten wurden. Dies bedeutet, dass nicht einmal 5 % aller abgeschlossenen Versicherungen im Kraftfahrtbereich Unfallversicherungen sind. Genaue Zahlen zu den abgeschlossenen Fahrerschutzversicherungen waren nicht erhebbar.
Geht man einmal davon aus, dass nicht einmal die gesamten 3,8 Mio. Kraftfahrt-Unfallversicherungen Fahrerschutzversicherungen sind, verdeutlicht dies, dass die Fahrerschutzversicherung nach wie vor unbekannt ist und insbesondere nicht aktiv vermarktet wird. Während es sich bei den 63 Mio. Haftpflichtversicherungspolicen um pflichtige Versicherungen handelt, schließen die Versicherungsnehmer daneben in fast 50 Mio. Fällen Kasko- und Unfallversicherungen ab, wobei hierbei die Unfallversicherungen nicht einmal 10 % ausmachen. Dies, obwohl je nach Versicherer in der Fahrerschutzversicherung nur Jahresprämien von 20–60 EUR in Rede stehen.
Dies belegt, dass die Fahrerschutzversicherung nicht aktiv vermarktet wird. Nach Auffassung des Verfassers ließe sich die Prämie für die Fahrerschutzversicherung häufig schon dadurch generieren, dass statt einer Selbstbeteiligung in der Kaskoversicherung von 300 EUR eine solche von 500 EUR vereinbart wird. Die mangelnde aktive Vermarktung der Fahrerschutzversicherung ist ...