StVO § 3
Leitsatz
Ein möglicher Mangel bei einem standardisierten Messverfahren muss qualitativ und quantitativ konkret festgestellt werden kann nicht durch einen willkürlichen Zuschlag von Prozentpunkten auf den Toleranzwert überdeckt werden.
OLG Koblenz, Beschl. v. 10.4.2018 – 1 OWi 4 SsBs 21/17
1 Aus den Gründen:
"… 1. Das AG hat den Betr. wegen fahrlässiger Überschreitung der außerörtlichen Höchstgeschwindigkeit um 41 km/h mit einer Geldbuße von 200 EUR und einem einmonatigen Fahrverbot belegt. Die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. hat mit der Sachrüge Erfolg."
Das AG ist zugunsten des Betr. davon ausgegangen, dass das Netzteil des Messgeräts PoliScan Speed bei der hier fraglichen Messung defekt war und Spannungsschwankungen verursachte, die sich “auf die durch das Messgerät ermittelten Messwerte auswirken können‘. Weiter heißt es in dem Urteil unter Hinweis auf die Ausführungen eines Sachverständigen, es sei mit dem Ausfall des Geräts zu rechnen, wenn “die Spannungsschwankungen ein gewisses Ausmaß erreichen. Da der Messbetrieb hier ohne erkennbare Auffälligkeiten durchgeführt worden sei, könne ausgeschlossen werden, dass bei der hier gegenständlichen Messung erhebliche Spannungsschwankungen im Netzteil aufgetreten seien. Der Sachverständige ging davon aus, dass bereits bei einer Toleranz von insgesamt 5 % des angezeigten Messwerts anstelle der üblichen Toleranz einer möglichen Spannungsschwankung im Netzteil ausreichend Rechnung getragen sei. Um eine Benachteiligung des Betr. völlig auszuschließen, hat das Gericht eine Toleranz von insgesamt 10 % auf den angeteigten Messwert, daher von 15,7, aufgerundet 16 km/h gewährt.‘
Mit diesen Ausführungen hat das Gericht nicht hinreichend dargelegt, dass und warum eine noch verwertbare Messung vorliegt. Es fehlen insb. Ausführungen dazu, warum und wie sich von einem schadhaften Netzteil ausgehende Spannungsschwankungen überhaupt auf eine Messung mit dem Gerät PoliScan Speed auswirken und warum sich diese Auswirkungen, wenn es sie denn geben sollte, so quantifizieren lassen, dass ein Zuschlag von 2 % auf die sog. Toleranz ausreichend ist. Dieser Mangel kann auch nicht durch einen willkürlichen Zuschlag von 7 % überdeckt werden.
2. In der erneuten Hauptverhandlung sollte allerdings zunächst geprüft werden, ob überhaupt Anlass besteht, von einem defekten Netzteil auszugehen. Wenn der Austausch der Netzteils nichts bewirkte und die Fehlermeldungen im Selbsttest erst durch den Austausch eines defekten Kabels, dann aber auf Dauer abgestellt wurden, liegt der Schluss, das Netzteil sei entgegen ersten Vermutungen tatsächlich einwandfrei gewesen, mehr als nahe.
In Falle einer erneuten Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung wird zu prüfen sein, ob es tatsächlich gerechtfertigt ist, zugunsten des Betr. Fahrlässigkeit anzunehmen. Die B41 zwischen (…) und (…) einschließlich der Geschwindigkeitsbegrenzungen dürfte dem Betr. schon aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit bestens bekannt sein. Es mag sein, dass der Geräuschpegel in modernen Fahrzeugen heute geringer ist als vor 15 Jahren. Trotzdem wird er nach wie vor auch von der Geschwindigkeit des Fahrzeugs mitbestimmt. Auf die Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, hat die Technik ohnehin keinen Einfluss. Und letztlich darf auch nicht völlig außer Betracht bleiben, dass sich gerade in modernen Fahrzeugen die (digitale) Geschwindigkeitsanzeige immer gut sichtbar im Blickfeld des Fahrers befindet. …“
Einsender: Dipl. jur. Alexander Gratz, Bous
zfs 7/2018, S. 410 - 411