BGB § 249 Abs. 2 S. 1 § 254
Leitsatz
Nimmt der Geschädigte eines Kfz-Unfalls in zulässiger Weise eine Wiederbeschaffung vor, die aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen misslingt, steht ihm auch für die Dauer einer weiteren Ersatzbeschaffungsmaßnahme im üblichen zeitlichen Rahmen ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung zu. Der Schädiger trägt insoweit das Risiko der verzögerten Ersatzbeschaffung.
LG Saarbrücken, Urt. v. 10.11.2017 – 13 S 97/17
Sachverhalt
Der Kl. begehrt restliche Nutzungsausfallentschädigung aus einem Verkehrsunfall, der sich am 15.8.2016 ereignet hat und für den die Bekl. in vollem Umfang eintrittspflichtig ist. Bei dem Unfall wurde das Fahrzeug des Kl., ein Hyundai Santa Fe, Erstzulassung 30.4.2007, stark beschädigt. Wegen des an seinem Fahrzeug entstandenen Schadens holte der Kl. ein Schadensgutachten ein. Das Gutachten wurde am 23.8.2016 vorgelegt und wies Reparaturkosten von 19.363,14 EUR brutto bei einem Wiederbeschaffungswert von 10.700 EUR und einem Restwert von 2.700 EUR aus. Als Wiederbeschaffungsdauer kalkulierte der Schadensgutachter zwölf bis 14 Kalendertage. Am 25.8.2017 veräußerte der Kl. sein Fahrzeug zum ermittelten Restwert. Am 30.8.2017 übermittelte die Bekl. dem Kl. ein Restwertangebot über 3.319 EUR. Am 1.9.2016 beschaffte der Kl. ein Ersatzfahrzeug, dessen Kauf er allerdings wegen eines verschwiegenen reparierten Totalschadens am 9.9.2016 rückgängig machte. Am 14.9.2016 erwarb der Kl. erneut ein Gebrauchtfahrzeug zum Preis von 31.500 EUR brutto, das am Folgetag zugelassen wurde. Die Bekl. hat für Nutzungsausfall einen Betrag von 826 EUR gezahlt. Dabei hat sie einen ersatzfähigen Zeitraum von 14 Kalendertagen zugrunde gelegt. Mit seiner Klage hat der Kl. restliche Nutzungsausfallentschädigung i.H.v. 1.062 EUR nebst Zinsen geltend gemacht.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Kl. hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen:
"… [9] II. 1. Nach der st. Rspr. des BGH stellt auch der vorübergehende Verlust der Gebrauchsmöglichkeit eines Kfz einen ersatzfähigen Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB der, wenn der Geschädigte sich für die Zeit des Nutzungsausfalls keinen Ersatzwagen beschafft hat (st. Rspr., vgl. BGHZ 40, 345 [347 ff.] = NJW 1964, 542; BGHZ 56, 214 [215] = NJW 1971, 1692; BGH NJW-RR 2008, 1198; NJW 2009, 1663 = DS 2009, 270 = NZV 2009, 334; NJW 2010, 2426 = NZV 2010, 500 = VersR 2010, 1463 jew. m.w.N.). Dieser Nutzungsausfall ist nicht notwendiger Teil des am Kfz in Natur eingetretenen Schadens. Es handelt sich vielmehr um einen typischen, aber nicht notwendigen Folgeschaden, der weder überhaupt noch seiner Höhe nach von Anfang an fixiert ist. Er setzt neben dem Verlust der Gebrauchsmöglichkeit voraus, dass der Geschädigte ohne das schädigende Ereignis zur Nutzung des Fahrzeugs willens und fähig gewesen wäre (Nutzungswille und hypothetische Nutzungsmöglichkeit; st. Rspr.; vgl. BGH NJW 2008, 915 = DS 2008, 98 = NZV 2008, 137 = VersR 2008, 370; NJW 2010, 2426 = NZV 2010, 500 = VersR 2010, 1463 jew. m.w.N.), und besteht für die erforderliche Ausfallzeit, d.h. für die notwendige Reparatur bzw. Wiederbeschaffungsdauer zzgl. der Zeit für die Schadensfeststellung und ggf. einer angemessenen Überlegungszeit (BGH NJW 2013, 1151 = DS 2013, 148 = NZV 2013, 229 = VersR 2013, 471)."
[10] 2. Nach diesen Grundsätzen steht dem Kl. grds. Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit zwischen dem Unfalltag und dem Tag der Zulassung des ersatzbeschafften Fahrzeugs zu. Denn er konnte – was zwischen den Parteien nicht streitig ist – in diesem Zeitraum sein. Fahrzeug unfallbedingt nicht nutzen. Dabei spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Halter und Fahrer eines privat genutzten Pkw – wie hier der Fall – diesen während eines unfallbedingten Ausfalls auch benutzt hätte (Kammer NJW 2014, 2292 = NZV 2014, 362 m.w.N.; zuletzt DS 2017, 327).
[11] 3. Allerdings ist anerkannt, dass die erforderliche Ausfallzeit entscheidend durch die Art der vom Geschädigten gewählten Schadensabrechnung beeinflusst wird. Rechnet der Geschädigte seinen Schaden fiktiv ab, kommt es maßgeblich auf die objektiv erforderliche Dauer an (vgl. BGH NJW 2003, 3480 = DS 2004, 19 = NZV 2003, 569; Kammer NJW-RR 2015, 1437 = NZV 2015, 547 m.w.N.). Rechnet der Unfallgeschädigte – wie hier der Fall – seinen Schaden demgegenüber konkret ab, ist Nutzungsausfall grds. für die gesamte erforderliche Ausfallzeit zu leisten, d.h. für die im konkreten Fall notwendige Wiederbeschaffungsdauer zzgl. der Zeit für die Schadensfeststellung und ggf. einer angemessenen Überlegungszeit. Auch konkret eingetretene Verzögerungen, wie sie etwa durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens entstanden sind, muss der Schädiger jedenfalls im üblichen zeitlichen Rahmen hinnehmen (vgl. Kammer NJW-RR 2017, 355 für Mietwagenkosten).
[12] a) Der Kl. kann danach jedenfalls für die Zeit vom Unfalltag bis zur ersten Ersatzbeschaffung, dem 1.9.2016, Nutzungsausfallentschädigung beanspruchen. Denn mit insgesamt 18 Tagen (15.8.2016–...