OWiG § 46 § 71; StPO § 467 Abs. 1
Leitsatz
Durch den Wegfall der Plausibilitätskontrolle der Messung wird eine Überprüfung der Messung mit dem Messgerät Traffistar S350 schlicht unmöglich gemacht. Allein die Zulassung dieses Geräts durch die PTB reicht demgegenüber nicht zur richterlichen Überzeugungsbildung, dass es sich um eine ordnungsgemäße, nicht zu beanstandende Messung handelt.
AG Heidelberg, Urt. v. 18.1.2018 – 17 OWi 540 Js 21713/17
1 Aus den Gründen:
"I. Nach dem Bußgeldbescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 9.5.2017 liegt dem Betr. folgender Sachverhalt zur Last:"
Am 8.4.2017 um 13:10 Uhr in N die B-Straße in Fahrtrichtung (…) überschritt der Betr. mit dem Pkw die dort auf 50 km/h beschränkte zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 36 km/h.
Von diesem Vorwurf ist der Betr., nach eingehender Prüfung der ihn belastenden und entlastenden Indizien und Würdigung, auch in ihrer Gesamtheit, aus tatsächlichen Gründen freizusprechen.
II. Dass ein Vorgang, wie er dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt, tatsächlich überhaupt stattgefunden hat, steht zur Überzeugung des Gerichts nicht sicher fest.
III. Wie dem Gericht aus vorangegangenen Verfahren mit dem Messgerät TraffiStar S350 bekannt ist, beruht die Messung hierbei auf einer digitalen Geschwindigkeitsmessung mittels Laserimpuls-Laufzeitmessung. Die Messung erfolgt mittels Lichtimpulsen, die vom Gerät ausgesendet und von getroffenen Objekten reflektiert werden. Diese werden vom Gerät wieder empfangen, durch den Zeitunterschied von ausgesendetem und empfangenem Impuls wird über die konstante Lichtgeschwindigkeit der Impulse die Entfernung zum Objekt bestimmt. Bei einem sich bewegenden Objekt wird dann aus der Änderung der Entfernung die Geschwindigkeit ermittelt. Bei einer geräteintern gültigen Messung löst das Gerät gemäß der Bedienungsanleitung spätestens 5 m nach Messende ein Foto aus. Hierfür berechnet das Gerät aus der gemessenen Geschwindigkeit des jeweiligen Fahrzeugs die Fotoposition. Hierbei wird außerdem die Position einer Auswertehilfe bestimmt, die der Zuordnung des Messwerts zu einem bestimmten Fahrzeug dient und die in das Messfoto eingeblendet wird.
Das Messgerät erlaubt allerdings in der hier verwendeten Softwareversion, im Gegensatz zur Vorgängerversion, keine Plausibilitätskontrolle mehr. Sofern Rohmessdaten noch abgespeichert werden, haben Sachverständige hierauf keine Zugriffsmöglichkeit mehr. Damit ist einem unabhängigen Sachverständigen eine Rückrechnung der gefahrenen Geschwindigkeit tatsächlich nicht mehr möglich. Vielmehr ist man bei diesem Messgerät gehalten, sich auf die eingeblendete Datenleiste im Tatfoto (vgl. AS 9) blind zu verlassen. Die dort aufgeführte Geschwindigkeit lässt sich allerdings in keiner Weise nachvollziehen. Eine Weg-Zeit-Berechnung ist anhand der vorliegenden Daten nicht möglich. Ein tatsächlicher Grund, warum die entsprechenden Rohmessdaten bei dieser Version nicht mehr zur Verfügung gestellt werden, ist nicht zu erkennen und auch nicht nachvollziehbar.
Im Gegenteil, vielmehr wurde bei dem Messsystem PoliScan-Speed mittlerweile erreicht, dass mit der Speicherung von “nur‘ fünf Messdaten in einer xml-Datei zumindest eine Piausibilitätskoritrolle ermöglicht wurde. Damit wird vor dem Gedanken des “fair-trail‘ der Betr. nicht mehr darauf verwiesen, einem Gerät zu glauben, dass es die Geschwindigkeit, mit der er gemessen wurde, richtig berechnet hat; ihm wurde die Möglichkeit eröffnet, diese Geschwindigkeitsmessung nachzuvollziehen.
Durch den Wegfall dieser Möglichkeit wurde eine Überprüfung der Messung schlicht unmöglich gemacht. Allein die Zulassung dieses Geräts durch die PTB reicht demgegenüber nicht zur richterlichen Überzeugungsbildung, dass es sich um eine ordnungsgemäße, nicht zu beanstandende Messung handelt.
Das AG Stralsund hat mit Urteil vom 7.11.2016 (324 OWi 554/16) bereits entschieden, das das Messgerät TraffiStar S350 von vornherein die Möglichkeit ausschließe, die Zuverlässigkeit der Messung etwa durch Sachverständigenbeweis zu überprüfen und somit die Amtsermittlungsmöglichkeit quasi standardisiert beschnitten sei, eine Anerkennung als standardisiertes Messverfahren somit nicht mehr in Betracht käme. Hierbei stützt sich das AG auf eine Entscheidung des AG Kassel vom 24.8.2016, welches ebenfalls Messwerte mit diesem Messgerät als Beweismittel im standardisierten Verfahren verworfen hat, weil die eingesetzte Technik die Weg-Zeit-Berechnung nicht nachvollziehbar mache. Dementsprechend ging vom Regierungspräsidium Kassel mit Schreiben vom 29.8.2016 eine Empfehlung an alle hessischen Kommunen, keine Anzeigen mit derartigen Messungen mehr an das Regierungspräsidium weiterzuleiten, da sie vorerst keine Verfahren mehr mit diesem Messsystem einleiten werden.
Bei dieser Sachlage fehlt es nach wie vor an einem tauglichen Beweismittel, um die dem Betr. vorgeworfene Geschwindigkeitsüberschreitung nachvollziehen zu können.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46, 71 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO.“
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