VVG § 28 Abs. 2; AFB 1987 § 16 Nr. 1a; BGB § 242
Leitsatz
Ist die Höhe des Zeitwerts eines brandbeschädigten Gebäudes unstreitig und legt der VN im Verlauf der Verhandlungen über die Regulierung des Neuwertschadens fingierte Rechnungen über die Wiederherstellung des Gebäudes vor, so verwirkt er dadurch zwar den Anspruch auf die Neuwertspitze, nicht aber jenen auf die Zeitwertentschädigung.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt.v. 15.3.2017 – 5 U 20/16
Sachverhalt
Der Kl. verlangt von der Bekl. Entschädigung nach einem Brand eines von ihm auf der Grundlage der AFB 1987 versicherten Gebäudes. Am 4.3.2011 entstand an dem versicherten Gebäude durch Brandstiftung ein Schaden, der der Bekl. noch am selben Tag gemeldet wurde. Die Bekl. beauftragte das Ingenieurbüro I+T mit der Schadensaufnahme. Dieses bezifferte in einem Gutachten v. 23.5.2011 den Zeitwertschaden auf 144.557,17 EUR brutto und den Neuwertschaden auf 198.996,66 EUR brutto. Die Bekl. erklärte im Juni 2011 die Anfechtung des Versicherungsvertrags, weil der Kl. sie arglistig darüber getäuscht habe, dass in dem versicherten Gebäude ein "Swinger-Club" vorhanden sei, und lehnte eine Regulierung des Schadens ab. Daraufhin erstritt der Kl. am 21.11.2012 ein rechtskräftiges Urteil, das die Bekl. dem Grunde nach zur Leistung verpflichtete. Die Bekl. erklärte daraufhin, den ermittelbaren Schaden ausgleichen zu wollen. Im Rahmen der Regulierungsverhandlung legte der Kl. Rechnungen der Firmen S und H vor sowie Quittungen für ihre Begleichung. Im Verlauf der Beweisaufnahme stellte sich heraus, dass beides fingiert war.
2 Aus den Gründen:
"… Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Zeitwertes des ausgebrannten Gebäudes i.H.v. 144.557,17 EUR gem. § 11 AFB 87 zu. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Entschädigung des Neuwerts und auf Entschädigung wegen eines Mietausfalls besteht dagegen wegen einer von der Bekl. bewiesenen arglistigen Täuschung des Kl. bei der Schadensermittlung nicht."
Wegen der arglistigen Täuschung des Kl. ist die Bekl. nach den §§ 13, 14 AFB 87, 28 VVG grds. leistungsfrei geworden. …
(b) Die Obliegenheiten gem. § 13 AFB 87 lebten für den Kl. Ende Dezember 2012 wieder auf, als die Prozessbevollmächtigten der Bekl. mitteilten, dass keine Berufung gegen das Feststellungsurteil eingelegt werde und die Bekl., soweit ein Schaden ermittelbar sei, diesen auskehren werde.
Zwar führt die Leistungsablehnung durch den VR in den Fällen vereinbarter Leistungsfreiheit nach der Rspr. des BGH zum Erlöschen von Aufklärungsobliegenheiten. Der dieser Rspr. zugrundeliegende und allein auf den Schutzzweck der Obliegenheitenregelung abstellende Gedanke gilt aber nicht, wenn durch Urteil die generelle Leistungsablehnung des VR für ungerechtfertigt erklärt und den Parteien der Nachweis und die Prüfung der Voraussetzungen aufgegeben worden ist, unter denen eine Neuwertentschädigung gezahlt werden muss. Gleiches gilt, wenn der VR nach früherer Leistungsablehnung unmissverständlich zu erkennen gibt, dass er nunmehr wieder in die Prüfung seiner Leistungspflicht eintreten und die Verhandlungen über die Schadensregulierung erneut aufnehmen will (BGH VersR 1991,1129). Weiter muss der VR dem VN in diesem Falle klar zu erkennen geben, inwieweit für ihn noch ein Aufklärungsbedürfnis besteht (BGH zfs 2013,330).
Diese Voraussetzungen waren Ende Dezember 2012 erfüllt. Die Bekl. hat ihre Leistungspflicht dem Grunde nach anerkannt und ist mit dem Kl. in Verhandlungen über die Höhe der Entschädigungsleistung eingetreten. Auch wenn das LG zutreffend angenommen hat, dass es hinsichtlich des Anspruchs des Kl. auf Zeitwertentschädigung i.H.v. rund 145.000 EUR wegen der abstrakten Schadensberechnung kein Aufklärungsbedürfnis der Bekl. mehr gab, so trifft dies hinsichtlich der Entstehung des Anspruchs auf Neuwertentschädigung von darüber hinausgehenden rund 50.000 EUR nicht zu. Selbst wenn für die Bekl. zu diesem Zeitpunkt bereits die Beseitigung der Brandschäden im Wesentlichen erkennbar war, so durfte die Bekl. die aus ihrer Sicht erforderlichen Feststellungen treffen, ob die Wiederherstellung des Gebäudes auch ordnungsgemäß und umfassend erfolgt war.
Zweck der Neuwertversicherung ist es, etwaige Schäden auszugleichen, die dem VN dadurch entstehen, dass er einen höheren Betrag als den Zeitwert aufwenden muss, wenn er das zerstörte Gebäude wiederherstellt. Auf diesen tatsächlichen Schaden ist der Umfang des Ersatzanspruches beschränkt. Für den VN ersichtlich zielt die Bestimmung auf die Begrenzung des subjektiven Risikos des VR, der davor geschützt werden soll, dass der VN – wie bei freier Verwendbarkeit der Versicherungsleistung – in Versuchung geraten könnte, sich durch Vortäuschen eines Versicherungsfalles Vermögensvorteile zu verschaffen. Diese Gefahr besteht nicht mehr, wenn der VN die zerstörte Sache wiederherstellt und damit den Sachwert erhalten hat, der ihm durch die Neuwertentschädigung vergütet werden soll. Allein die Erbringung von Eigenleistungen, die die Baukosten reduzieren, r...