ARB 2005 § 3 Abs. 1b) bb)
Leitsatz
Eine Photovoltaikanlage ist eine sonstige bauliche Anlage i.S.v. § 3 Abs. 1b) bb) ARB 2005, so dass kein Versicherungsschutz für eine Klage gegen den Lieferanten wegen etwaiger Mängel besteht.
OLG Hamm, Beschl. v. 30.3.2012 – 20 U 5/12
Sachverhalt
Der Kl unterhält bei der Bekl. eine Rechtsschutzversicherung, für die deren ARB (Stand: 1.10.2005) vereinbart sind. Am 15.4.2009 beauftragte der Kl. eine Fachfirma mit der Lieferung und Montage einer Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Hauses zum Preis von brutto 550.943,82 EUR. Später beabsichtigte er diese Firma wegen behaupteter Mängel der Anlage in Anspruch zu nehmen. Ursprünglich hat der Kl. deshalb im Wesentlichen beantragt, ihm Rechtsschutz für die Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der Lieferantin der Solaranlage zu gewähren. Mittlerweile hat er die Klage aufgrund der Insolvenz der Lieferantin in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Bekl. hat der Erledigungserklärung widersprochen und Klageabweisung beantragt.
Das LG hat die Klage auf Feststellung, dass die Bekl. verpflichtet gewesen sei, ihm Rechtsschutz für die gerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen im Zusammenhang mit der Lieferung angeblich mangelhafter Teile einer Photovoltaikanlage zu gewähren, abgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, dass gem. § 3 Abs. 1b) bb) der vereinbarten Bedingungen kein Rechtsschutz bestehe für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder sonstigen baulichen Anlagen. Damit seien auch etwaige Verfahren wegen einer mangelhaften Solaranlage wirksam ausgeschlossen, denn dabei handele es sich um eine "sonstige bauliche Anlage" i.S.d. Bedingungen.
2 Aus den Gründen:
“ … Die dagegen gerichtete Berufung des Kl. bleibt ohne Erfolg, denn die vorgenannte Auslegung des LG ist auch nach Auffassung des Senates zutreffend.
1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind generell so auszulegen, wie ein durchschnittlicher VN sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Erkenntnismöglichkeiten eines VN ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an (BGH, Urt. v. 24.6.2009 – IV ZR 110/07, juris Tz. 7 … ).
2. Zwar weist die Berufung zutreffend darauf hin, dass der durchschnittliche VN keine Kenntnisse des Bauordnungsrechts besitzt, so dass die Landesbauordnung zur Auslegung von § 3 Abs. 1b) bb) ARB nicht ohne weiteres herangezogen werden kann (vgl. zur Auslegung von Rechtsbegriffen in AVB Prölss, in: Prölss/Martin, VVG. 28. Aufl. 2010, Vorbem. III Rn 10 m.w.N.). Dies ändert indes nichts daran, dass eine Solaranlage gleichwohl und ohne Rückgriff auf das Bauordnungsrecht als bauliche Anlage i.S.d. Bedingungen anzusehen ist. Wesentlich für den Begriff der “sonstigen baulichen Anlage’ i.S.d. ARB ist nämlich nach ihrem Wortlaut und Sinnzusammenhang eine Verbindung von gewisser Dauer und Festigkeit mit einem Gebäude oder ' Grundstück. Diese ist bei einer Photovoltaikanlage auf einem Dach nach Überzeugung des Senats gegeben. Zwar kann – worauf die Berufung hinweist – eine solche Anlage auch wieder demontiert und an anderer Stelle installiert werden, aber das schließt ihre Eigenschaft als bauliche Anlage keineswegs aus. Auch andere Gegenstände, zum Beispiel eine Tür oder ein Fenster, können nach ihrem Einbau in ein Haus später aus- und an anderer Steile wieder eingebaut werden. Sie bleiben indes nach dem Sprachgebrauch und ihrer Funktion (Bestand-)Teile eines Gebäudes. Ihrer gewöhnlichen Bestimmung nach ist auch eine Photovoltaikanlage dazu bestimmt, auf dem betreffenden Dach so lange zu verbleiben, wie sie zur Stromerzeugung dienen soll. Mit dem LG ist der Senat deshalb der Auffassung, dass es für die Dauerhaftigkeit der Verbindung ausreicht, wenn die Verbindung mit einem Gebäude der gewöhnlichen Lebensdauer der baulichen Anlage entspricht, auch wenn diese Lebensdauer deutlich hinter derjenigen des Gebäudes zurückbleibt.
Anders als der Kl. meint ist es für die Frage, ob § 3 Abs. 1b) bb) ARB eingreift, auch nicht entscheidend, ob das zugrunde liegende Vertragsverhältnis (hier mit der Lieferantin der Solaranlage) als Kauf- oder Werkvertrag zu qualifizieren ist. Die Klausel in den Versicherungsbedingungen ist nämlich weder ihrem Wortlaut noch ihrem Sinn nach auf Werkverträge beschränkt, da es allein darum geht, ob sich das mit der Planung oder Errichtung einer baulichen Anlage verbundene Prozessrisiko verwirklicht.
3. Anders als der Kl. … meint ist die betreffende Klausel auch nicht wegen Verstoßes gegen die §§ 305 ff. BGB unwirksam. Nach Auffassung des Senats ist § 3 Abs. 1b) bb) ARB hinreichend klar verständlich und deshalb – gemessen an § 307 Abs. 1 S. 2 BGB – wirksam. Da eine jede Einzelheit erfassende Regelung auch vom Transparenzgebot nicht verlangt wird, reicht es aus, dass für einen durchschnittlichen VN der Sinngehalt der Regelung erkennbar ist. Das ist hier der Fall...