ZPO §§ 114 ff.
Leitsatz
1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe betrifft nur die zu dem Bewilligungszeitpunkt bereits in das Verfahren eingeführten Klageanträge. Für einen diese Anträge übersteigenden Vergleichsmehrwert bedarf es in der Regel eines neuen Prozesskostenhilfeantrags.
2. Ein Antrag, Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert zu bewilligen, kann erst nach der Protokollierung des Vergleichs bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.
3. Wird Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert beantragt, kommt es für die erforderliche Erfolgsaussicht nicht darauf an, ob der Partei, wäre über den zusätzlich in den Vergleich einbezogenen Gegenstand ein Prozess geführt worden, Erfolgsaussichten zur Seite stünden oder nicht. Vielmehr besteht eine Erfolgsaussicht dann, wenn zu erwarten ist, dass ein Vergleich zustande kommt.
(Leitsätze der Schriftleitung)
BAG, Beschl. v. 16.2.2012 – 3 AZB 34/11
Sachverhalt
Das ArbG H hatte dem Kl. Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten für die mit der Klage verfolgten Ansprüche bewilligt. Mit seiner Klage hatte der Kl. für Zeiten der Entgeltfortzahlung bei Urlaub, Arbeitsunfähigkeit, Krankheit und an gesetzlichen Feiertagen Umsatzprovisionen und Sondervergütungen geltend gemacht sowie die Erteilung damit im Zusammenhang stehender Auskünfte, die Vorlage eines Buchauszugs sowie die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Richtigkeit dieser erteilten Auskünfte verlangt. Der Beiordnungsbeschluss v. 14.1.2010 enthielt den Hinweis, für weitere Anträge und einen übersteigenden Vergleichswert sei in der Regel ein neuer Prozesskostenhilfe-Antrag erforderlich. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 6.4.2011 schlossen die Parteien vor der Kammer nach Erörterung der Sach- und Rechtslage einen Vergleich. Dieser erfasste nicht nur die dem Rechtsstreit zugrunde liegenden Ansprüche. Vielmehr vereinbarten die Parteien darüber hinaus, dass das Arbeitsverhältnis zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung mit dem 30.6.2011 endete und der Kl. unter Anrechnung seiner Urlaubsansprüche und unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeitspflicht freigestellt wurde. Dabei waren sich die Parteien darüber einig, dass der zustehende Urlaub gewährt und genommen war. Ferner verpflichtete sich die Bekl., an den Kl. eine restliche Vergütung sowie eine Abfindung zu zahlen und ihm ein qualifiziertes Zeugnis zu erteilen. Ausweislich der Sitzungsniederschrift wurde der Vergleich vorgelesen und genehmigt. Im Anschluss hieran stellte der Prozessbevollmächtigte des Kl. im Termin den Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes. Das ArbG gab den Parteien auf, zu diesem Antrag binnen zwei Wochen vorzutragen. Schließlich stellte der Klägervertreter ebenfalls noch im Termin v. 6.4.2011 den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrwert des abgeschlossenen Vergleichs.
Durch Beschl. v. 27.4.2011 setzte das ArbG den Gegenstandswert für die Klage auf knapp 12.000 EUR und den Vergleichsmehrwert auf knapp 23.000 EUR fest. Den Antrag des Kl. auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsmehrwert und auf entsprechende Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten wies das ArbG durch gesonderten Beschluss zurück. Dies hat das ArbG damit begründet, der Anwalt habe den Prozesskostenhilfe-Antrag für den Vergleichsmehrwert erst nach Abschluss des Vergleichs beantragt. Während der Vergleichsverhandlungen habe der Anwalt einen derartigen Antrag weder gestellt noch darauf hingewiesen, dass die erfolgte Prozesskostenhilfe-Bewilligung auf den Vergleich zu erweitern sei.
Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das LAG H zurückgewiesen. Die Rechtsbeschwerde des Kl. hatte beim BAG Erfolg.
2 Aus den Gründen:
“ … II. Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Mit den Begründungen der Vorinstanzen durfte der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Vergleichsschluss und den Vergleichsmehrwert nicht zurückgewiesen werden.
[10] Das LAG ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag nicht deshalb entbehrlich ist, weil dem Kl. bereits Prozesskostenhilfe hinsichtlich des überschießenden Wertes des gerichtlichen Vergleichs bewilligt worden wäre. Das LAG hat aber zu Unrecht angenommen, dass der Prozesskostenhilfeantrag zurückzuweisen ist, weil er erst nach Abschluss des Rechtsstreits gestellt wurde. Das ist nicht der Fall. Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht auch nicht entgegen, dass es sich bei der protokollierten Vereinbarung, soweit sie außerhalb des Rechtsstreits liegende Gegenstände regelt, nicht um einen gerichtlichen Vergleich handelt. Ebenso wenig kann die Prozesskostenhilfe deshalb versagt werden, weil die Einbeziehung der außerhalb des Rechtsstreits liegenden Gegenstände mutwillig erscheint. Der Senat kann jedoch nicht abschließend entscheiden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorliegen. Die Sache ist daher zur neuen Entscheidung an das LAG zurückzuverweisen. Dieses wird ggf. auch über de...