RVG § 23 Abs. 2 S. 2; RVG VV Nr. 2300; KostO § 25 Abs. 1; GNotKG § 99
Leitsatz
1. Kann in einer Betreuungssache ein Rechtsanwalt, der zum Verfahrenspfleger bestellt worden ist, nach anwaltlichem Gebührenrecht abrechnen, weil die Erforderlichkeit anwaltsspezifischer Tätigkeiten im Bestellungsbeschluss festgestellt wurde oder in dem konkreten Einzelfall die Wahrnehmung anwaltstypischer Aufgaben erforderlich war, bestimmt sich die Höhe seiner Vergütung nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.
2. Ist in diesem Fall der Verfahrenspfleger damit beauftragt, einen vom Betreuer zur betreuungsgerichtlichen Genehmigung vorgelegten Mietvertrag zu überprüfen, bestimmt sich der Geschäftswert für die Berechnung der anwaltlichen Gebühren nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 KostO (nunmehr § 99 GNotKG).
BGH, Beschl. v. 25.2.2015 – XII ZB 608/13
Sachverhalt
Im März 2011 hatte der Betreuer der Betr. für Vermögensangelegenheiten einen Antrag auf Genehmigung von drei Mietverträgen gestellt, mit denen Grundstücke, die im Miteigentum der Betr. und ihres Ehemannes stehen, vermietet werden sollten. Im Oktober 2011 wurde der Rechtsanwalt zum Verfahrenspfleger der Betr. mit dem Aufgabenkreis "Vertretung im Betreuungsverfahren" bestellt. Die Berufsmäßigkeit der Führung der Verfahrenspflegschaft wurde festgestellt. Dem Anwalt wurden die eingereichten Mietverträge zur Prüfung übersandt. In einer ersten Stellungnahme wies er auf die Notwendigkeit der Überprüfung von weiteren Untermietverträgen hin. Nach weiterem Schriftwechsel mit dem Vermögensbetreuer nahm der Rechtsanwalt auch zu den Untermietverträgen Stellung.
Einige Zeit später hat der Rechtsanwalt die Festsetzung seiner Vergütung geltend gemacht. Dabei hat er für die Prüfung der Verträge eine 1,8 Geschäftsgebühr (zuletzt) nach dem Höchstwert von 30 Mio. EUR i.H.v. 196.008,23 EUR angesetzt. Den Gegenstandswert hat er aus den zusammengerechneten Werten der gesamten Mieteinnahmen aller Miet- und Untermietverträge während deren Laufzeiten bestimmt. Das AG Speyer hat nach Einholung eines Gutachtens der Anwaltskammer den Gegenstandswert auf der Grundlage der zu erwartenden Steuerersparnis der Betr. auf 2,8 Mio. EUR bemessen. Unter Zurückweisung des weitergehenden Antrags hat das AG die Vergütung auf 18.865,78 EUR festgesetzt. Auf die Beschwerde des Rechtsanwalts hat das LG Frankenthal die amtsgerichtliche Entscheidung geändert und auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 6.783.000 EUR die Vergütung auf 46.925,03 EUR festgesetzt. Hiergegen hat der Justizfiskus die zugelassene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er sich nur noch gegen die Höhe des angesetzten Gegenstandswertes wendet.
Die Rechtsbeschwerde hatte in der Sache keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen:
[6] "… II. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung nach § 70 Abs. 1 FamFG statthaft und konnte von dem Beteiligten zu 5 nach § 10 Abs. 4 S. 2 FamFG ohne Vertretung durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden. Sie hat in der Sache keinen Erfolg … ."
[17] 2. …
[18] a) Nach § 277 Abs. 1 S. 1 FamFG erhält der Verfahrenspfleger Ersatz seiner Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 bis 2 BGB. Gem. § 277 Abs. 2 S. 2 FamFG erhält er neben den Aufwendungen nach Abs. 1 eine Vergütung in entsprechender Anwendung der §§ 1, 2 und 3 Abs. 1 und 2 VBVG, wenn die Verfahrenspflegschaft ausnahmsweise berufsmäßig geführt wird. Auf § 1835 Abs. 3 BGB, wonach als Aufwendungen auch solche Dienste des Vormunds oder des Gegenvormunds gelten, die zu seinem Gewerbe oder seinem Beruf gehören, verweist § 277 FamFG zwar nicht. Nach st. Rspr. des Senats ist diese Vorschrift jedoch auf den anwaltlichen Verfahrenspfleger anzuwenden. Dieser kann daher eine Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beanspruchen, soweit er im Rahmen seiner Bestellung solche Tätigkeiten zu erbringen hat, für die ein juristischer Laie in gleicher Lage vernünftigerweise einen Rechtsanwalt zuziehen würde (BGH FamRZ 2015, 137). …
[20] c) Hat das AG bereits bei der Bestellung des Verfahrenspflegers die für das Vergütungsverfahren bindende Feststellung getroffen, dass der Verfahrenspfleger eine anwaltsspezifische Tätigkeit ausübt oder liegen die Voraussetzungen hierfür vor (vgl. BGH FamRZ 2015, 137), bestimmt sich die Höhe seiner Vergütung nach den maßgeblichen Vorschriften des RVG. Für die Überprüfung eines Vertrags durch einen Rechtsanwalt entsteht eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG, die einen Gebührenrahmen von 0,5 bis 2,5 vorsieht. Soweit das Beschwerdegericht unter Heranziehung des Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer die vom Verfahrenspfleger geltend gemachte 1,8-fache Gebühr für angemessen hält, ist dies aus rechtsbeschwerderechtlichen Gründen nicht zu beanstanden. Auch hiergegen erinnert die Rechtsbeschwerde nichts.
[21] d) Dass das Beschwerdegericht den Geschäftswert im vorliegenden Fall nach § 23 Abs. 3 S. 1 RVG i.V.m. § 25 Abs. 1 S. 1 KostO (jeweils in der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung, vgl. § 136 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG) bestimmt hat, ist ebenfalls frei von Rechtsfe...