OWiG § 73 § 74
Leitsatz
Die wirksame Vertretungsvollmacht i.S.d. § 73 Abs. 3 OWiG bedarf keiner besonderen Form und kann auch mündlich erteilt werden; in ihr kann zugleich die Ermächtigung enthalten sein, eine etwa erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Vollmachtgebers zu unterzeichnen.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.2.2015 – (1 Z) 53 Ss-OWi 619/14 (351/14)
Sachverhalt
Gegen den Betr. erging wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 37 km/h ein Bußgeldbescheid über 150 EUR. Nach form- und fristgerecht eingelegtem Einspruch des Betr. hat das AG Neuruppin mit Verfügung v. 17.4.2014 Termin zur Hauptverhandlung auf den 17.9.2014 anberaumt. Mit Anwaltsschreiben v. 15.9.2014 hat der Betr. beantragt, ihn vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, dabei seine Fahrereigenschaft eingeräumt und ausgeführt, in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache zu machen. Dem Schriftsatz war eine von dem Verteidiger nach eigenen Angaben “in Vertretung für den Betr.‘ unterzeichnete Vertretungsvollmacht beigefügt. In der Hauptverhandlung hat das Bußgeldgericht den Antrag des Betr. auf Entbindung mit der Begründung zurückgewiesen, es liege keine wirksame Vertretungsvollmacht vor, weil der Verteidiger des Betr. und nicht dieser selbst die Vollmacht v. 15.9.2014 unterzeichnet habe. Anschließend erging ein Verwerfungsurteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG. Das OLG Brandenburg hat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.
2 Aus den Gründen:
"II. Der Senat folgt dem Antrag der GenStA des Landes Brandenburg. Das Rechtsmittel hat mit der Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs – vorläufigen – Erfolg."
1. Der Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde ist gem. §§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 Abs. 1 OWiG statthaft und entsprechend den Bestimmungen des §§ 79 Abs. 3 S. 1, 80 Abs. 3 S. 1 OWiG, §§ 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.
2. Die Verwertung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG kann als Prozessurteil, das naturgemäß keine Ausführungen zur Sache enthält, nur mit der Verfahrensrüge beanstandet werden, so dass die erhobene Sachrüge unzulässig ist.
Die von dem Betr. erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs greift durch.
a) Die Antragsbegründung enthält eine den Erfordernissen des § 344 Abs. 2 StPO i.V.m. §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG entsprechende Verfahrensrüge. In der Rechtsmittelbegründung ist ausgeführt, was der Beschwerdeführer im Fall der Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte, nämlich, dass er die Fahrereigenschaft einräume und die Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung beanstande.
b) Die Verfahrensrüge ist auch begründet. Der Senat lässt die Rechtsbeschwerde wegen Versagung rechtlichen Gehörs zu (§ 80 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 OWiG). Auf die Rechtsbeschwerde des Betr. wird das angefochtene Urteil des AG Neuruppin aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückverwiesen.
Mit der Verfahrensrüge trägt die Verteidigung zutreffend vor, dass die Vorgehensweise des Tatgerichts, den Betr. nicht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, gegen § 73 Abs. 2 OWiG verstößt. Das Tatgericht hatte dem Antrag v. 15.9.2014 zu entsprechen, weil die Voraussetzungen einer Entbindung erfüllt waren. Der Verteidiger hatte in der Antragsschrift ausgeführt, dass der Betr. seine Fahrereigenschaft zum Tatzeitpunkt ausdrücklich einräume, sich in der Hauptverhandlung aber nicht weitergehend zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen oder zur Sache einlassen werde. Der Antragsschrift war ferner eine wirksame Vertretungsvollmacht beigefügt, denn diese bedarf keiner besonderen Form und kann auch mündlich erteilt werden; in ihr kann zugleich die Ermächtigung enthalten sein, eine etwa erforderliche Vollmachtsurkunde im Namen des Vollmachtgebers zu unterzeichnen (KG, Beschl. v. 12.6.2013 – 3 Ws (B) 202/13, zit. n. juris). So lag der Fall hier, denn der Verteidiger hatte in seinem Schriftsatz ausdrücklich auf eine ihm erteilte umfassende Vollmacht verwiesen.
In der Nichtberücksichtigung der Einlassung des in der Hauptverhandlung abwesenden Betr. aufgrund fehlerhafter Ablehnung des Entbindungsantrags und in der Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid liegt eine Verletzung des Grundrechts des Betr. auf Gewährung rechtlichen Gehörs, Art. 103 Abs. 1 GG. Der Betr. hat ein Recht darauf, dass das Gericht seine Ausführungen zur Kenntnis nimmt und in seiner Abwesenheit zur Sache verhandelt und entscheidet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen eines Abwesenheitsverfahrens vorliegen (Senatsbeschluss v. 24.1.2014 – 1 (Z) Ss-OWi 26/14 m.w.N.).
3. Der Senat folgt auch insoweit dem Antrag des Betr., als es zur Sicherung eines nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz konformen Verfahrens die Sache an eine andere Abteilung des AG Neuruppin zurückverweist.“
3 Anmerkung:
Das OLG Brandenburg hatte zwei Kernpunkte vieler (Fehl-)Entscheidungen rund um den Entbindungsantrag abzuarbeiten. Zum einen den hier gar nicht in Str...