StVG § 7 Abs. 1
Leitsatz
1. § 7 Abs. 1 StVG, wonach es bei dem Betrieb eines Kfz zu einem Schaden gekommen sein muss, ist auch dann erfüllt, wenn es zwischen den beteiligten Fahrzeugen zu keiner Berührung gekommen ist. Die bloße Anwesenheit des Kfz an der Unfallstelle reicht hierfür nicht aus. Vielmehr muss der Fahrzeugführer durch seine Fahrweise zur Entstehung des Schadens beigetragen haben.
2. Daran fehlt es, wenn ein Grundstückseinbieger mit eingeschaltetem linken Blinker nach verkehrsbedingtem Halten in seiner Fahrspur wieder anfährt und ein Teilnehmer des bevorrechtigten Gegenverkehrs in der Annahme, seine Vorfahrt werde sogleich verletzt, nach rechts über den Bordstein ausweicht. Die abstrakte Annahme, ein Verkehrsteilnehmer werde einen Verkehrsverstoß begehen, ist nämlich keine Kfz-Gefahr.
(Leitsätze des Einsenders)
AG Schwarzenbek, Urt. v. 15.1.2015 – 2 C 679/14
Sachverhalt
Die Kl. macht die Verurteilung der Bekl. zum Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines Vorfalls im Straßenverkehr geltend. Die Kl. war Beifahrerin in einem von ihrem Ehemann gefühlten Fahrzeug, der Bekl. zu 1) war Fahrer eines bei der Bekl. zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs. Die Fahrzeuge fuhren in entgegengesetzter Richtung. Der Bekl. zu 1) beabsichtigte, nach links auf ein Gewerbegrundstück abzubiegen und setzte den linken Fahrtrichtungsanzeiger. Der Ehemann der Kl. bremste das von ihm geführte Fahrzeug stark ab und kam zum Stillstand, ohne dass es zu einer Kollision beider Fahrzeuge kam.
Die Kl. hat die Verurteilung der Bekl. zur Zahlung eines Schmerzensgeldes verfolgt und hierzu behauptet, sie habe sich durch die Vollbremsung an der rechten Hand verletzt und mehrere Wochen deshalb an Schmerzen gelitten. Hierfür hat sie die Bekl. für haftbar gehalten und dem Bekl. zu 1) vorgeworfen, unter Verletzung des Vorfahrtsrechtes ihres Mannes bereits mit dem Abbiegevorgang begonnen zu haben, so dass er sich mit einem Drittel seines Fahrzeugs auf der Gegenspur befunden habe. Damit sei ihr Mann gezwungen gewesen, eine Vollbremsung einzuleiten, um eine Kollision mit dem Fahrzeug des Bekl. zu 1) zu vermeiden.
Die Bekl. bestreiten, dass das von dem Ehemann der Kl. durchgeführte Bremsmanöver erforderlich gewesen sei, um eine Kollision beider Fahrzeuge zu vermeiden. Als der Ehemann der Kl. die Bremsung eingeleitet habe, habe der Bekl. zu 1) den Abbiegevorgang noch nicht eingeleitet. Wegen des herannahenden Fahrzeugs des Ehemanns der Kl. habe der Bekl. zu 1) sein Fahrzeug noch komplett auf seiner Fahrspur zum Stillstand gebracht und sei erst dann abgebogen, als entgegenkommende Pkw des Ehemanns der Kl. die Einfahrt bereits passiert habe.
Das AG hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
" … Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz oder eines Schmerzensgeldes wegen des Vorfalls v. 13.1.2014. Unabhängig davon, ob die von der Kl. behaupteten Verletzungen überhaupt im Sinn von § 7 Abs. 1 StVG dem Betrieb des vom Bekl. zu 1 geführten und bei der Bekl. zu 2 haftpflichtversicherten Kfz zuzurechnen sind, wäre im Rahmen der nach § 17 Abs. 1 StVG vorzunehmenden Abwägung des Verhältnisses der Verursachungsbeiträge der beiden Fahrzeuge der Verursachungsbeitrag des Bekl. zu 1 so geringfügig, dass eine Haftung ausgeschlossen wäre."
Zwar ist es ohne Bedeutung, dass es zu keiner Kollision zwischen den beiden beteiligten Kfz gekommen ist, denn die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG bzw. die Haftung des Fahrers aus vermutetem Verschulden gem. § 7 Abs. 1 i.V.m. § 18 StVG und damit einhergehend die Haftung des Haftpflichtversicherers nach § 116 VVG können auch dann eingreifen, wenn es nicht zu einer Berührung zwischen den am Geschehen beteiligten Kfz gekommen ist. Das Tatbestandsmerkmal des § 7 Abs. 1 StVG, wonach es bei dem Betrieb eines Kfz zu einem Schaden gekommen sein muss, ist auch dann erfüllt, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kfz verursacht worden ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit des Kfz an der Unfallstelle dafür nicht aus. Vielmehr muss das Kfz durch seine Fahrweise zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben (BGH, Urt. v. 21.9.2010 – VI ZR 263/09 m.w.N.). Letzteres kann der Fall sein, wenn der Führer des anderen beteiligten Kfz durch den Betrieb eines Kfz zu einer Reaktion wie zum Beispiel einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. Dabei kann es genügen, dass die Abwehr- oder Ausweichreaktion voreilig, also objektiv nicht erforderlich war. Auch subjektiv muss die Ausweichreaktion nicht erforderlich sein oder sich für den Führer des anderen Fahrzeugs aus seiner Sicht als die einzige Möglichkeit darstellten, um eine Kollision zu vermeiden. Voraussetzung für die Zurechnung des Betriebes des Kfz zu einem schädigenden Ereignis ist allerdings, dass über die bloße Anwesenheit hinaus objektiv tatsächlich eine Gefahr von dem Fahrzeug ausging.
Ebenso wie bei einer nach § 17 StVG vorzunehmenden Abwägung der Verursachungsbeiträge dürfen für die Entsch...