BGB § 252; BVG §§ 30 ff.; OEG § 5; ZPO § 287
Leitsatz
1. Die Grundrente nach § 31 BVG hat keine Lohnersatzfunktion und dient ihrer Zweckbestimmung nach – anders als die Ausgleichsrente und der Berufsschadensausgleich – nicht der Bestreitung des Lebensunterhalts.
2. Zu der für die Bemessung des Erwerbsschadens erforderlichen Prognose der hypothetischen Einkommensentwicklung bei einem bereits langjährig im Erwerbsleben stehenden Geschädigten.
BGH, Urt. v. 12.1.2016 – VI ZR 491/14
Sachverhalt
Das klagende Land hat nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) aus übergegangenem Recht den Nachlassverwalter des inzwischen verstorbenen Schädigers, der versucht hatte, den Geschädigten zu töten, auf Ersatz der erbrachten Leistungen in Anspruch genommen. Der Geschädigte war in seinem Erwerbsleben zunächst als angestellter Tischlermeister, später als selbstständiger Tischlermeister tätig. Über sein Vermögen wurde 2004 das Insolvenzverfahren eröffnet. Ab dem Jahr 2006 war er wieder selbstständig tätig. Er bezog Leistungen zur Wiedereingliederung Arbeitsloser. Am 12.6.2007 wurde er bei einem Tötungsversuch des Schädigers lebensgefährlich verletzt und erlitt bleibende Schäden.
Der Kl. macht die Erstattung gegenüber dem Geschädigten erbrachter Rentenleistungen von 91.392 EUR nebst Zinsen für den Zeitraum vom 1.7.2007 bis zum 30.6.2012 sowie die Feststellung geltend, dass der Bekl. verpflichtet ist, dem Kl. diejenigen weiteren Aufwendungen zu ersetzen, die ihm nach dem OEG und dem BVG gegenüber dem Geschädigten obliegen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind. Das BG hat unter teilweiser Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung dem Kl. den geforderten Zahlungsbetrag zugesprochen und das stattgebende Urteil des LG bezüglich des Feststellungsbegehrens bestätigt. Die zugelassene Revision des Bekl. führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an das BG.
2 Aus den Gründen:
[5] "… Das BG hat ausgeführt, der Kl. habe gegen den Bekl. aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Erstattung der von ihm an den Geschädigten geleisteten Rentenleistungen (Grundrente und Berufsschadensausgleich) in der Zeit vom 1.7.2007 bis 30.6.2012. Der Kl. sei nicht in der Lage, den Verdienstausfall des Geschädigten aus selbstständiger Tätigkeit darzulegen. Im Zeitpunkt der Tat habe sich der Geschädigte noch im Wiederaufbau der selbstständigen Tätigkeit befunden. Die voraussichtliche berufliche Entwicklung sei daher schwer zu beurteilen. Nach der Rspr. des BGH gebiete § 252 BGB eine Prognose entsprechend dem gewöhnlichen Lauf der Dinge, insb. auf der Grundlage dessen, was zur Ausbildung und bisherigen beruflichen Situation des Betroffenen festgestellt werden könne. Dabei müsse der Geschädigte zwar so weit wie möglich konkrete Anhaltspunkte für diese Prognose dartun. Es dürften aber auch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Das gelte insb. dort, wo der Geschädigte, etwa weil er noch am Anfang einer beruflichen Entwicklung gestanden habe, nur wenige konkrete Anhaltspunkte dazu liefern könne, wie sich sein Erwerbsleben voraussichtlich gestaltet hätte."
[6] Da die vom Kl. vorgelegten Unterlagen nicht ausreichten, eine für die Schadensermittlung auch nur halbwegs sichere Prognose über die zukünftige Entwicklung der selbstständigen Tätigkeit des Geschädigten zu geben, liege es nahe, bei den Verdienstaussichten darauf abzustellen, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von einem voraussichtlich durchschnittlichen Erfolg des Geschädigten in seiner Tätigkeit zu erwarten gewesen wäre. Als Grundlage sei dafür heranzuziehen, was ein angestellter Tischlermeister im Alter des Geschädigten nach dem für den Raum Hannover gültigen Tarifvertrag durchschnittlich verdient hätte. Das sei der Mindestverdienst, den der Geschädigte beanspruchen könne.
[7] B. Die Revision hat Erfolg.
[8] I. Die Revision ist insgesamt zulässig. Sie ist entgegen der Ansicht des Kl. auch hinsichtlich der Feststellungsverurteilung ausreichend begründet, § 551 ZPO. Denn die Revision wendet sich mit der Rüge, die Annahme eines Forderungsübergangs nach § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG werde durch die Feststellungen des BG nicht getragen, (auch) gegen die Feststellungsverurteilung.
[9] II. Die Revision ist begründet.
[10] 1. Die bisherigen Feststellungen des BG tragen seine Beurteilung nicht, dem klagenden Land stehe ein Anspruch auf Erstattung der von ihm im Zeitraum vom 1.7.2007 bis 30.6.2012 an den Geschädigten geleisteten Rentenleistungen (Grundrente und Berufsschadensausgleich) zu, § 823 Abs. 1, § 843 Abs. 1 BGB, § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG.
[11] a) Zwar geht das BG entgegen der Ansicht der Revision zutreffend davon aus, dass ein dem Geschädigten gegen den Schädiger zustehender Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung, der dem Grunde nach zwischen den Parteien nicht im Streit ist, gem. § 5 OEG i.V.m. § 81a BVG auf das klagende Land als dem nach § 4 OEG im Rahmen der Opferentschädigung leistungspflichtigen Versorgungsträger übergegangen ist. Dieser Forderungsübergang setzte nicht, wie das BG angenommen haben könnte, ei...