Im Fall eines Totalschadens ist regelmäßig festzustellen, dass der Haftpflichtversicherer des Unfallgegners lediglich eine Nutzungsausfallentschädigung für den im Gutachten angegebenen Wiederbeschaffungszeitraum leistet.
Diese Praxis ist mit der eindeutigen Rechtsprechung nicht in Übereinstimmung zu bringen.
Die regulierungsfähige Ausfalldauer beschränkt sich nämlich nicht auf die eigentliche Zeit der Ersatzbeschaffung. Zusätzlich gehört zum entschädigungsfähigen Zeitraum auch die für die Einholung eines Gutachtens notwendige Zeit sowie eine Überlegungszeit (BGH VersR 2013, 471, 473; LG Saarbrücken NZV 2015, 1437, 1439).
Der insgesamt zu entschädigende Nutzungsausfallzeitraum bei einem Totalschaden setzt sich insoweit aus drei Zeiträumen zusammen, nämlich dem Schadensermittlungszeitraum, dem Überlegungszeitraum und dem Wiederbeschaffungszeitraum.
Der Schadensermittlungszeitraum errechnet sich grundsätzlich ab Unfalldatum bis zum Erhalt des Sachverständigengutachtens. Etwaige Verzögerungen bei der Gutachtenerstellung, die nicht im Einflussbereich des Geschädigten liegen, gehen in der Regel zu Lasten des Schädigers (OLG Schleswig, Urt. v. 30.8.2012 – 7 U 146/11; LG Landau, Urt. v. 14.4.2016 – 2 O 74/15).
Darüber hinaus ist noch eine Überlegungsfrist des Geschädigten bis zur Beauftragung des Sachverständigen zu berücksichtigen. Bei klarer Haftungslage wird diese teilweise mit zwei Tagen angenommen (LG Landau a.a.O.). Je nach Umständen des Einzelfalles wird auch teilweise ein Überlegungszeitraum von bis zu einer Woche für angemessen gehalten (OLG Koblenz, Urt. v. 13.2.2012 – 12 U 1265/10; LG Saarbrücken NZV 2011, 497).
Auch der häufig anzutreffende Hinweis des Versicherers, es habe sich um einen "evidenten Totalschaden" gehandelt und insoweit sei zu dieser Frage die Einholung eines Sachverständigengutachtens überhaupt nicht erforderlich gewesen, so dass die Schadensermittlungsdauer nicht zu berücksichtigen sei, ist nicht zutreffend. Für den Geschädigten als "Laien" ist es regelmäßig nicht ohne Einschaltung eines Sachverständigen möglich zu entscheiden, ob es sich um einen Totalschaden handelt oder nicht (AG Wiesbaden, Urt. v. 11.7.2012 – 92 C 224/12; AG Hamburg-Bergedorf, Urt. v. 18.12.2016 – 410 d C146/15).
Liegt das Gutachten vor, schließt sich nach der Rechtsprechung ein Überlegungs- oder Prüfzeitraum an, der dem Geschädigten zuzubilligen ist. Dieser Prüfzeitraum wird mit fünf Tagen als angemessen zu bewerten sein (AG Wiesbaden a.a.O., AG Aschaffenburg zfs 1999, 103). Nach diesem Prüfzeitraum ist dann jedenfalls mindestens die vom Gutachter kalkulierte Wiederbeschaffungsdauer zu berücksichtigen. Auf Fallkonstellationen, in denen hier deutlich längere Zeiträume angesetzt werden können, soll im Rahmen dieser Ausführungen nicht eingegangen werden.
Unter Berücksichtigung obiger Ausführungen ist davon auszugehen, dass bei "Standardtotalschadenfällen" selbst bei schnellstmöglicher Beauftragung des Gutachters sowie entsprechender Gutachtenerstellung und einer Ersatzbeschaffung im Rahmen der vom Gutachter kalkulierten Zeit (in der Regel 12–14 Tage) regelmäßig Nutzungsentschädigungszeiträume geltend gemacht werden können, die deutlich über 20 Tagen liegen.
In der Praxis ist allerdings zu beobachten, dass, selbst wenn der Versicherer ausdrücklich auf die entsprechende Berechnung des Gesamtzeitraums hingewiesen wird, dennoch lediglich der eigentliche Wiederbeschaffungszeitraum reguliert wird und weitergehende Ansprüche gerichtlich durchgesetzt werden müssen.