OWiG § 69 Abs. 5
Leitsatz
Zu den Voraussetzungen einer endgültigen Rückgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde bei vergeblichen Nachermittlungen zum Nachweis des Täters.
AG Minden, Beschl. v. 4.3.2016 – 15 OWi-502 Js 3652/15-154/16
1 Aus den Gründen:
"Die Verwaltungsbehörde hat einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt hat. Das AG hat unter dem Datum vom 9.11.2015 die Akten mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft wegen offensichtlich ungenügender Sachaufklärung an die Verwaltungsbehörde gem. § 69 Abs. 5 Satz 1 OWiG zur weiteren abschließenden Sachaufklärung und anschließenden erneuten Entscheidung durch die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen. Die Verwaltungsbehörde hat eine weitere Sachaufklärung durchgeführt und die Akten erneut dem AG zur Durchführung des Verfahrens vorgelegt. Eine erneute Prüfung hat jedoch ergeben, dass auch nach diesen weiteren Ermittlungen ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht. Deshalb war das Verfahren gem. § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben."
In der erstmaligen Zurückverweisung gern. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG wurde bereits darauf hingewiesen, dass eine Fahreridentifizierung nach Aktenlage nicht möglich ist. Selbst wenn der Halter des Fahrzeugs und Vater des Betroffenen nach erforderlicher Belehrung nach § 52 StPO und zusätzlicher qualifizierter Belehrung über die Nichtverwertbarkeit seiner Angaben im Rahmen der durchgeführten informatorischen Befragung in der Tatnacht seine Angaben sodann wiederholen würde, kann hieraus eine sichere Fahrerfeststellung nicht getroffen werden. Es ist nicht auszuschließen, dass eine unbekannte dritte Person der Fahrzeugführer war. Ein Abgleich durch die Polizeibeamten – beispielsweise mit dem beim Einwohnermeldeamt hinterlegten Lichtbild des Betroffenen – war zum Zeitpunkt der ersten Zurückverweisung nicht erfolgt. Die Fahrerbeschreibung “kurze Haare, dem Anschein nach größere Person’ ist wenig individuell. Der Betroffene beruft sich auf sein Schweigerecht.
Die Verwaltungsbehörde hat nunmehr ein EMA-Lichtbild des Betroffenen vorgelegt. Hierauf hat der Betroffene längere Haare, über seine Größe können anhand des Bildes keine Aussagen getroffen werden. Das Lichtbild ist zudem aus dem BPA aus 2010 und damit wenig aussagekräftig für das Aussehen des Betroffenen zum Tatzeitpunkt.
Zudem sind die eingesetzten Polizeibeamten erneut zur schriftlichen Stellungnahme aufgefordert worden. POK … gibt an, dass eine zweifelsfreie Identifizierung des Fahrzeugführers durch ihn nicht möglich sei, da das Gesicht nicht wahrgenommen werden konnte. PK … gibt an, dass das Gesicht des Fahrzeugführers nicht wahrgenommen werden konnte. Zudem ergänzt er den Inhalt der informatorischen Befragung des Vaters des Betroffenen in der Tatnacht und gibt insoweit an, dieser habe auf Nachfrage ausgeschlossen, dass sein Sohn das Fahrzeug Freunden zur Verfügung stelle und dass er davon ausgehe, dass sein Sohn selbst gefahren sei.
Davon abgesehen, dass dieser Inhalt der informatorischen Befragung nunmehr erstmals aktenkundig gemacht wird, bestehen aus den vorstehenden Gründen Bedenken in Bezug auf die Verwertbarkeit. Eine richterliche Vernehmung des Vaters des Betroffenen ist nicht erfolgt. Nicht einmal eine ergänzende förmliche Vernehmung des Vaters durch die Polizei wurde offenbar für erforderlich gehalten.
Doch selbst wenn der Vater des Betroffenen nach den erforderlichen Belehrungen seine Angaben wiederholen würde, könnte hieraus kein sicherer Tatnachweis gezogen werden, da es sich allenfalls um Mutmaßungen des Vaters und ggf. dessen Erfahrungswerte handelt. Solange der Betroffene sich auf sein Schweigerecht beruft, wird eine Täterfeststellung nicht gelingen.
Aus diesen Gründen war das Verfahren gem. § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.“
Mitgeteilt von Ass. Jur. Karl-Friedrich Stock, Minden
2 Anmerkung:
Die Entscheidung an sich ist unspektakulär, aber ein schöner Beweis dafür, dass das Gericht sich nicht jedes Ermittlungsergebnis gefallen lassen muss. Wenn es wie hier schon am hinreichenden Tatverdacht fehlt – analoges Problem: unzureichend erkennbare Person auf dem Messfoto –, dann muss die Behörde nachermitteln. Genügt dies dann immer noch nicht den Anforderungen des Verfahrensrechts, kann das Gericht die Sache endgültig zurückgeben, § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG, was den nicht zu unterschätzenden Vorteil hat, dass die Kosten und Gebühren der Sache bei der Behörde verbleiben. Das mag für den Verteidiger zunächst unwichtig aussehen, aber die Behörde muss sich der Prüfung der Innenrevision stellen. Werden also zu viele Fälle auf diese Art zurückgewiesen, dürfte dies jedenfalls mittelfristig zu einer Verbesserung der Qualität der Ermittlungen führen. Die Vorgehensweise über den § 69 OWiG hat zudem für den Verteidiger den Charme, dass das Verfahren in die Länge gezogen wird (in dieser Zeit also Voreintragungen wegfallen können) und dass in der Zeit des Hin- und Herschickens der Akte Fehler be...