StVO § 23 Abs. 1a
Leitsatz
Ein Kfz-Führer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, verstößt nicht gegen das Verbot der Benutzung von Mobiltelefonen gem. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO, solange er keine weiteren Funktionen des in der Hand gehaltenen Geräts nutzt.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 25.4.2016 – 4 Ss 212/16
Sachverhalt
Mit Urt. hat das AG gegen den Betroffenen wegen "fahrlässigen Benutzens eines Mobiltelefons mittels Halten des Mobiltelefons während der Fahrt" eine Geldbuße von 60 EUR festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der "Rechtsbeschwerde", mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Nach Zulassung und Übertragung auf den Senat hat das OLG Stuttgart das Urt. aufgehoben und den Betroffenen freigesprochen.
2 Aus den Gründen:
" … II. Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zum Freispruch, weil die Feststellungen den Schuldspruch nicht tragen."
1. Nach den getroffenen Feststellungen fuhr der Betroffene mit einem Pkw im Straßenverkehr und hielt sein Mobiltelefon in der rechten Hand, während er über die Freisprechanlage telefonierte. Nach seiner unwiderlegten Einlassung hatte er das Telefonat bereits vor Fahrtantritt begonnen. Nach dem Start des Motors hatte sein Mobiltelefon über Bluetooth mit der Freisprecheinrichtung eine Verbindung hergestellt, so dass das Telefonat über diese Anlage fortgeführt worden war. Nach der Verbindung mit der Freisprechanlage hatte der Betroffene vergessen, das Gerät abzulegen.
Das AG bewertet dieses Verhalten als fahrlässigen Verstoß gegen das Verbot der Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt gem. § 49 Abs. 1 Nr. 22, § 23 Abs. 1a S. 1 StVO. Es hat zwar gesehen, dass das Halten des Mobiltelefons für die Durchführung des Telefonats nicht erforderlich ist und ein bloßes Aufnehmen oder Halten des Geräts ohne Nutzung seiner Funktionen zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht ausreicht. Die konkrete Verwendung des Mobiltelefons durch den Betroffenen sei aber, so das AG, nicht anders zu werten, als hätte er nur die Lautsprecherfunktion seines Mobiltelefons genutzt und das Telefon dabei in der Hand gehalten. Durch § 23 Abs. 1a StVO solle sichergestellt werden, dass die Ablenkungen durch das Mobiltelefon auf ein Minimum reduziert werden, damit der Fahrer beide Hände zum Führen des Kfz frei habe. Diese Reduzierung sei beim dauerhaften Halten des Mobiltelefons während eines Telefonats über die Freisprechanlage aber gerade nicht gewährleistet. Durch das dauerhafte Halten des Mobiltelefons seien nicht beide Hände des Betroffenen zur Bewältigung der Fahraufgabe bereit, was durch § 23 Abs. 1a StVO gerade sichergestellt werden solle.
2. Diese Bewertung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Sachrüge hat Erfolg, soweit das AG das Mobiltelefon unter den konkreten Umständen als ein Gerät angesehen hat, das zur Benutzung in die Hand genommen werden muss.
a) Ein Kfz-Führer, der während der Fahrt ein mit einer Freisprechanlage verbundenes Mobiltelefon in der Hand hält und über die Freisprechanlage telefoniert, verstößt nicht gegen das Verbot der Benutzung von Mobiltelefonen gem. § 23 Abs. 1a S. 1 StVO, solange er keine weiteren Funktionen des in der Hand gehaltenen Geräts nutzt. Eine solche Auslegung gebietet bereits der eindeutige Wortlaut der Vorschrift und entspricht zudem deren Zweck.
aa) Der strenge Gesetzesvorbehalt des Art. 103 Abs. 2 GG verbietet es der Rspr., Tatbestände im Wege richterlicher Rechtsfortbildung etwa durch die Bildung von Analogien oder die Verschleifung von Tatbestandsmerkmalen zu begründen oder zu verschärfen (BGH, Beschl. v. 11.9.2014 – 4 ARs 12/14, juris unter Bezugnahme u.a. auf BVerfGE 71, 108 ff.). Die Auslegung eines Gesetzes findet ihre Grenze in dem – aus Sicht des Bürgers – noch möglichen Wortsinn (Göhler, OWiG, 15. Aufl., § 3 Rn 6; Fischer, StGB, 62. Aufl., § 1 Rn 24, jeweils m.w.N.). Soweit auf den Willen des Gesetzgebers abgestellt werden soll, muss dieser im Gesetz einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden haben. Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen eines Bußgeldtatbestandes so konkret zu umschreiben, dass Tragweite und Anwendungsbereich sowie Rechtsfolgen eines Verstoßes zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen (BVerfGE 47, 109 ff.). Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck, einerseits dem rechtsstaatlichen Schutz des Normadressaten: Jedermann soll vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe oder mit Bußgeld bedroht ist. Im Zusammenhang damit soll andererseits sichergestellt werden, dass der Gesetzgeber selbst über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, über die Voraussetzungen einer Bestrafung oder der Auferlegung eines Bußgeldes selbst zu entscheiden (BVerfGE 71, 108 ff.). Gegenstand der Auslegung gesetzlic...