VVG § 108 Abs. 2; AVB D&O-Versicherung (OLA) Nr. 1.1.1
Leitsatz
1. In Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung gilt auch der geschädigte VN oder sein in den Versicherungsschutz einbezogenes Tochterunternehmen als Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2 VVG.
2. Mit der Erwägung, der Geschädigte beabsichtige in Wahrheit nicht, den Versicherten wegen des gegen ihn erhobenen Schadensersatzanspruchs persönlich haftbar zu machen, und wolle insb. nicht Zugriff auf dessen persönliches Vermögen nehmen, sondern lediglich den Versicherungsfall auslösen, weshalb die Inanspruchnahme nicht ernstlich sei, kann eine bedingungsgemäße Inanspruchnahme des Versicherten i.S.d. Claims-made-Prinzips nicht verneint werden.
BGH, Urt. v. 13.4.2016 – IV ZR 304/13
Sachverhalt
Die Kl. nimmt die Bekl., bei der für ihr geschäftsführendes Vorstandsmitglied, den versicherten, eine D&O-Versicherung besteht, aus einem ihr von diesem abgetretenen Deckungsanspruch in Anspruch. Nach den AVB hat die Bekl. Anspruchsabwehr und Freistellung versprochen für den Fall, dass der Versicherte "wegen einer Pflichtverletzung in Ausübung einer Tätigkeit als versicherte Person … erstmals schriftlich für den Vermögensschaden auf Schadensersatz … in Anspruch genommen (wird)." Die Versicherung erstreckt sich auch auf die sog. Innenhaftung. Die AVB regeln weiter, dass eine Abtretung des Freisteilungsanspruchs an den geschädigten Dritten durch den Versicherten zulässig, ansonsten unzulässig ist. Hintergrund des Rechtsstreits sind Währungssicherungsgeschäfte, aus denen der Kl. ein Verlust entstanden ist. Am 8.12.2009 beschlossen die Gesellschafter der Kl., den versicherten deshalb auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Der Versicherte trat daraufhin seinen Deckungsanspruch gegen die Bekl. an die Kl. ab.
2 Aus den Gründen:
[16] "… 2. Anders als das LG in erster Instanz entschieden hat und die Revisionserwiderung weiterhin geltend macht, scheitert die Klage nicht daran, dass die Abtretung des Deckungsanspruchs an die Kl. nach Nr. 12. 4 S. 2 OLA unwirksam ist."
[17] a) Die Kl. ist hier als Tochterunternehmen der VN in den Versicherungsschutz einbezogen. Nr. 12. 4 OLA bestimmt, dass der Freistellungsanspruch des Versicherten vor einer endgültigen Feststellung weder abgetreten noch verpfändet werden kann; ausgenommen davon ist – wegen der zwingenden Regelung in § 108 Abs. 2 VVG – lediglich die Abtretung an den geschädigten Dritten. Ob in sog. Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung der geschädigte VN Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2 VVG und entsprechender Abtretungsklauseln der Versicherungsbedingungen sein kann, ist in der Literatur umstritten. Die Frage stellt sich in gleicher Weise, wenn der Freistellungsanspruch – wie hier – an ein in den Versicherungsvertrag einbezogenes Tochterunternehmen der VN abgetreten wird.
[18] b) Der verbreiteten Auffassung, Dritter i.S.d. Regelung zum Abtretungsverbot könne nur sein, wer außerhalb des Versicherungsverhältnisses stehe, was auf den VN als Partei des Versicherungsvertrages nicht zutreffe (Armbrüster, r+s 2010, 441, 448 f. … ), liegt im Wesentlichen die Befürchtung zugrunde, eine Vereinigung von Haftpflicht- und Freistellungsanspruch in einer Hand erhöhe die Missbrauchsgefahr, die in der Haftpflichtversicherung aus einem kollusiven Zusammenwirken (“friendly understanding’) der versicherten Person und des VN ohnehin entstehen könne. … Trete der Versicherte den Deckungsanspruch an den geschädigten VN ab, habe das zur Folge, dass der VN, der – wenn auch in gewissen Grenzen – den Versicherer bei der Abwehr des Haftpflichtanspruchs unterstützen solle, selbst Inhaber dieses Anspruchs werde. Die Regelung des § 108 Abs. 2 VVG beruhe auf zwei für die D&O-Versicherung nicht zutreffenden Erwägungen des Gesetzgebers. Er habe es zum einen VN ermöglichen wollen, sich aus der gesamten Schadenangelegenheit herauszuziehen und stattdessen dem Geschädigten einen Zahlungsanspruch gegen den Versicherer zu verschaffen; zum anderen habe der Geschädigte, der oft keine Kenntnis vom Innenverhältnis zwischen Versicherer und VN habe, vor Nachteilen bei nachlässiger Behandlung der Angelegenheit durch den VN und vor dessen Insolvenz geschützt werden sollen (vgl. BT-Drucks 16/3945 S. 87). Diese Ziele würden aber verfehlt, wenn der Geschädigte selbst VN sei (Armbrüster, r+s 2010, 441, 448). Der Abtretbarkeit des Deckungsanspruchs stehe im Übrigen auch das Trennungsprinzip entgegen (Schimmer, VersR 2008, 875, 877).
[19] c) Die herrschende Meinung nimmt demgegenüber zutreffend an, auch ein Unternehmen sei als VN einer D&O-Versicherung in Innenhaftungsfällen geschädigter Dritter i.S.v. § 108 Abs. 2, so dass ein in AVB geregeltes Verbot, den Freistellungsanspruch aus dem Versicherungsvertrag vor seiner endgültigen Feststellung abzutreten, der Abtretung an die geschädigte VN nicht entgegenstehe (Baumann, r+s 2011, 229, 230 ff.; Koch, r+s 2009, 133, 135 f.; Lange, r+s 2011, 185, 187; Langheid, NJW 2007, 3745, 3746 … ).
[20] Diese weite Auslegung des Begriffs “Dritter’ in § 108 VVG erscheint interessengerecht. Dafür spricht ...