StVO § 3 § 41 § 49; StVG § 24
Leitsatz
Zur (verneinten) Zuordnungssicherheit bei einer Geschwindigkeitsmessung in 302 m Entfernung mittels des Messgeräts Riegl LR90-235/P.
AG Dortmund, Urt. v. 26.5.2017 – 729 OWi-253 Js 291/17-78/17
Sachverhalt
Dem Betr. wurde vorgeworfen, am 25.11.2016 um 9.44 Uhr in Dortmund auf der E-Straße mit seinem Pkw BMW die an der Tatörtlichkeit zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 31 km/h überschritten zu haben. Er sei nach Toleranzabzug mit einer Geschwindigkeit von 101 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften gefahren. Das AG Dortmund hat den Betr. freigesprochen.
2 Aus den Gründen:
"Tatsächlich hat sich feststellen lassen, dass der Betr. an der fraglichen Tatörtlichkeit zur fraglichen Zeit entlanggefahren ist. Das Gericht hat jedoch keine ihm zuzuordnende Messung feststellen können. Möglicherweise ist der Betr. tatsächlich zu schnell gewesen. Dies ließ sich jedoch nicht wirklich feststellen, da die Zuordnungssicherheit bei der durchgeführten Lasermessung mit einem Lasermessgerät der Firma Riegl nicht gegeben war. Die Messung wurde nämlich durchgeführt durch den Polizeibeamten A, der das Fahrzeug des Betr. bei einem Überholvorgang in einem Abstand von 302 m gemessen hat. Die beiden Fahrzeuge, also das überholende Fahrzeug des Betr. und das überholte Fahrzeug befanden sich zur Zeit der Messung unmittelbar nebeneinander, so dass zwar sehr wahrscheinlich ist, dass die Messung des Polizeibeamten A dem Betr. zuzuordnen ist, eine Sicherheit jedoch nicht gegeben ist."
Der Betr. hat erklärt, er sei zur Tatzeit Fahrzeugführer gewesen. Er bezweifle aber die Richtigkeit der Messung.
Der Zeuge A wurde vernommen. Dieser bestätigte, dass er sich zur Tatzeit keinerlei Gedanken darüber gemacht habe, ob in der Bedienungsanleitung des Messgerätes ab einer Entfernung von 300 m eine Zuordnungssicherheit aufgrund einer Aufweitung des Messstrahls problematisch sein könnte. Er könne sich noch erinnern, nach dem Anhalten mit dem Betr. gesprochen zu haben. Es sei deshalb auch das Überholen ausdrücklich in die Anzeige aufgenommen worden und eine Skizze insoweit gefertigt worden. Ansonsten habe der Zeuge A natürlich die für die Messung notwendigen Tests durchgeführt. Das Gericht konnte zudem einen gültigen Eichschein und ein Messprotokoll feststellen. Auch aus dem Messprotokoll ergab sich die Messung beim Überholen.
Sodann hat das Gericht auszugsweise die Bedienungsanleitung des Messgeräts Riegl LR90-235/P verlesen. Hierin heißt es: “Die zu messsenden Fahrzeuge sind möglichst mittig anzuvisieren. Dadurch ist bei der Messung mehrspuriger Fahrzeuge bis zu einer Entfernung von 300 m aufgrund der engen Bündelung des Laserstrahls die Zuordnungssicherheit gewährleistet. Da ab Entfernungen von 300 m eine Zielerfassung außerhalb der Breite von Pkw nicht ausgeschlossen werden kann, ist der von Fahrzeugen der gleichen Fahrtrichtung freizuhaltende Zielerfassungsbereich auf einen Durchmesser von insgesamt 2 Pkw-Breiten (ca. 3,50 m) zu erweitern, d.h. es ist rechts und links je eine halbe Fahrzeugbreite zuzugeben. Entsprechendes gilt für den Raum oberhalb des anvisierten Fahrzeuges.'
Derartiges konnte hier nicht sichergestellt werden. Das Gericht konnte auch keine weiteren Anhaltspunkte feststellen, aufgrund derer eine weitergehende Plausibilitätsprüfung stattfinden konnte. Insb. konnten keine Feststellungen mehr zu dem Fahrverhalten des überholten Fahrzeuges getroffen werden. Eine Plausibilitätsprüfung hätte insoweit allenfalls dann stattfinden können, wenn ausdrücklich durch den Polizeibeamten die Gewähr übernommen worden wäre, dass zur Zeit der Messung das überholte Fahrzeug tatsächlich lang samer war als der Betr. oder gleichschnell. Ohne eine solche Angabe bestand jedenfalls noch die Möglichkeit, dass während des Überholens auch das überholte Fahrzeug kurzzeitig schneller geworden sein kann.
Dementsprechend war der Betr. aus tatsächlichen Gründen freizusprechen mit der Kostenfolge des § 467 StPO i.V.m. § 46 OWiG.“
Mitgeteilt von RiAG Carsten Krumm, Dortmund
3 Anmerkung:
Hier liegt endlich einmal ein klassischer Fall dafür vor, dass selbst die Grundsätze des standardisierten Messverfahrens nicht weiterhelfen. Die Messung konnte nicht anhand der für das Gerät vorgegebenen Bedienungshinweise und -vorgaben nachvollzogen werden. Mangels entsprechender Dokumentation von Daten und Bildmaterial bei dem konkreten Messgerät war dem Tatgericht auch eine sonstige Überprüfung der Messung, etwa mittels eines Sachverständigengutachtens, verwehrt. Wenn auch sonst sehr über das dokumentationslose Riegl-Messgerät geschimpft wird, konnte hier ausnahmsweise einmal der Betr. davon profitieren, dass es diese Daten nicht gibt und dass bei der Bedienung dieses Messgeräts doch einige Aspekte zu beachten sind, die man den Messbeamten auch detailliert abfragen kann. Dass sich der Messbeamte hier nicht einmal Gedanken darüber gemacht hat, die notwendigen Vorgaben einzuhalten, ist natürlich ein Beweis dafür, dass regelmäßige Schulungen und Auffrischungen Standard sein sollten und nicht eine ein...