I. Bedeutung der Nacherfüllungsphase
1. Auf der Grundlage der europäischen Verbrauchsgüterkaufrichtlinie (RL 1999/44/EG v. 25.5.1999), ergänzt durch die Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83/EU v. 25.10.2011), ist die Sachmängelhaftung in § 323 Abs. 2 BGB neu geregelt worden. In Fortschreibung der in § 433 Abs. 1 S. 2 BGB ausgesprochenen Verpflichtung des Verkäufers werden dem Käufer abgestufte Berechtigungen bei Vorliegen eines Sachmangels zugewiesen. Zunächst muss er den Anspruch auf Nacherfüllung weiterverfolgen und darf erst dann Rücktritt, Minderung und Schadensersatz geltend machen (vgl. §§ 437, 440 BGB; BGH NJW 2005, 1348; OLG Saarbrücken NJW 2009, 369).
2. Diese Abhängigkeit des schließlich gewählten Rücktrittsrechts von dem Versuchsstadium der Nacherfüllung zeigt sich darin, dass bei einer Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs Rücktritt und Minderung nicht mehr geltend gemacht werden können. Mit der Übergabe der – unterstellt – mangelhaften Kaufsache begann die in § 438 Abs. 2 BGB bestimmte Regelverjährungsfrist von 2 Jahren. Die Auswirkungen auf das ansonsten möglicherweise stufenweise begründete Recht auf Rücktritt und Minderung ergeben sich aus §§ 218, 214 BGB. Wie sich § 438 Abs. 4 und 5 BGB entnehmen lässt, bestimmt das Gesetz unter konkludenter Ablehnung des Rücktritts- und Minderungsrechtes als Gestaltungsrecht, dass dessen Wirksamkeit aufgrund der Verjährung des Nacherfüllungsanspruchs entfallen ist. Dass das Rücktrittsrecht ein Gestaltungsrecht ist, ergibt sich aus § 349 BGB (vgl. BGH NJW 2010, 2503; OLG Bremen NJW-RR 2011, 1302). Da Gestaltungsrechte nicht verjähren (arg. § 194 BGB), greift § 218 BGB ein, der eine Unwirksamkeit des Rücktritts anordnet, wenn der diesem ansonsten zugrunde liegende Anspruch, hier der Nacherfüllungsanspruch, verjährt ist und sich der Verkäufer hierauf berufen hat (§ 214 BB).
3. Etwas anderes gilt dann, wenn die Verjährungsfrist von zwei Jahren (§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB) wegen eines arglistigen Verhaltens des Verkäufers auf die Regelverjährungsfrist von drei Jahren gem. §§ 438 Abs. 3, 195, 199 BGB verlängert wird.
Dass der Verkäufer selbst Kenntnis von der Manipulation der Software hatte, wird kaum belegt werden können. Selbst nach der publizistischen Bewältigung von "Dieselgate" werden Händler keine positive Kenntnis in "Neufällen" hinsichtlich der Manipulation von austretenden Stickstoffoxiden haben, für "Altfälle" lässt sich für die Annahme eines arglistigen Verhalten des Händlers nichts anführen.
Eine Zurechnung etwaigen arglistigen Verhaltens der für die Herstellerin verantwortlich Handelnden zulasten der Händler kann nicht angenommen werden.
Nur in dem von dem LG München angenommenen Ausnahmefall der Einschaltung einer 100 %-igen Konzerntochter der Herstellerin in den Absatzvorgang erscheint die Zurechnung zulässig, vorausgesetzt, die erforderliche Kenntnis der Abgasmanipulation seitens der Organe und sonstiger Verantwortlicher steht fest (vgl. i.E. Anmerkung zu LG Hildesheim zfs 2017, 323; LG München I zfs 2017, 389).
Die allzu sehr verkürzte Angabe zur Begründung arglistigen Verhaltens der Herstellerin müsste jedenfalls nachgebessert werden, da nur natürliche Personen, die für die Herstellerin gehaftet haben, eine arglistige Täuschung für diese verübt haben können. Ob inzwischen durch die Aufklärungstätigkeit der beteiligten Staatsanwaltschaften die Möglichkeiten des Nachweises arglistigen Verhaltens des angesprochenen Personenkreises, deren Handeln der Herstellerin zugerechnet werden kann, verbessert worden ist, ist allerdings sowohl im Rahmen strafrechtlicher Sanktionen wie auch etwaiger zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche von Käufern aufmerksam zu beobachten. In einem Artikel der FAZ v. 10.7.2017, S. 20, wird mitgeteilt, dass die Aussagen von "Kronzeugen" und amerikanische Ermittlungsakten für die Kenntnis der für die Herstellerin verantwortlich Handelnden sprächen.
Diese etwaigen zu sichernden Ermittlungsergebnisse geben für das Rechtsverhältnis des Käufers zu dem verkaufenden Händler – mit Ausnahme der von dem LG München entschiedenen Konstellation – nichts her. Zu den gesicherten Erkenntnissen des Kaufrechts gehört es, dass der Hersteller der Kaufsache nicht Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist (vgl. BGH VersR 2011, 886 Rn 31 unter Ablehnung abweichender Stellungnahmen nach Erlass des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in Rn 32; vgl. auch S. Lorenz, ZGS 2004, 408, 410; Staudinger/Czaplinski, JA 2008, 401).
Die Verantwortung das Händlers beschränkt sich vielmehr darauf, ein Verbraucherprodukt bereitzustellen, von dem er weiß oder aufgrund ihm vorliegender Erfahrungen wissen muss, dass es nicht den Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes entspricht (§ 6 Abs. ProdSG). Da der Händler grds. nicht zur Untersuchung der von ihm vertriebenen Ware verpflichtet ist, ist die Kontrolltätigkeit des Händlers nicht sonderlich effizient (vgl. BGH NJW 1981, 1269; Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl., Rn 1833). Angesichts der damit getrennten Prüfbereiche von Hä...