[12] "… II. Die Revision des Kl. [Anm. Schriftl.: gegen das Urt. des VGH Mannheim v. 3.9.2015 – 10 S 778/14, VBlBW 2016, 243 = DÖV 2016, 87; davor: VG Karlsruhe; Urt: v.7.10.2013 – VG 1 K 1348/12] ist begründet. Das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von § 11 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 FeV i.V.m. § 46 LVwVfG und § 11 Abs. 3 FeV (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das BG geht zwar zu Recht davon aus, dass die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 11 Abs. 8 S. 1 FeV auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisbewerbers grds. nur schließen darf, wenn die Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens auch formell rechtmäßig ist (1. und 2.), und dass es sich bei der Mitteilungspflicht des § 11 Abs. 6 S. 2 Hs. 2 FeV nicht um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt (3.). Die Annahme, das Fehlen der Mitteilung führe nicht zur Rechtswidrigkeit der Beibringungsaufforderung, wenn es sich auf die Willensentschließungsfreiheit des Betr. nicht ausgewirkt habe, ist jedoch nicht in jeder Hinsicht mit Bundesrecht vereinbar; unbeachtlich für die Entscheidung über den Fahrerlaubnisantrag könnte der Verfahrensfehler nur gem. § 46 LVwVfG sein, dessen Voraussetzungen hier nicht gegeben sind (4.). Der von der Bekl. herangezogene § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 FeV kann – wie das BG zu Recht angenommen hat – Rechtsgrundlage der Beibringungsaufforderung sein; die zur Begutachtung gestellte Frage ist auch hinreichend bestimmt (5.). Nicht mit Bundesrecht in Einklang steht jedoch die Auffassung, dass, solange die Tilgungs- und Verwertungsfristen in Bezug auf die Verkehrsverstöße nicht abgelaufen sind, grds. kein Raum für eine einzelfallbezogene Prüfung bestehe, ob die Verkehrsverstöße die Anforderung eines Fahreignungsgutachtens noch rechtfertigen, und deshalb im Rahmen des Ermessens auf den Zeitablauf seit dem letzten Verkehrsverstoß (hier: sechs Jahre) nicht eingegangen werden müsse (6.). Entsprechende Erwägungen der Bekl. fehlen hier (7.). Danach führt die Revision des Kl. zur Änderung der vorinstanzlichen Urteile und – unter Aufrechterhaltung der bereits erstinstanzlich ausgesprochenen Aufhebung der angegriffenen Bescheide – zur Verpflichtung der Bekl., über den Antrag des Kl. auf Erteilung einer Fahrerlaubnis unter Beachtung der Rechtsauffassung des BVerwG neu zu entscheiden."
[13] 1. Maßgeblich für die Beurteilung des auf Neubescheidung gerichteten Klagebegehrens ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung; Anwendung finden dabei die rechtlichen Regelungen, die auch das BG zugrunde zu legen hätte, wenn es zum Zeitpunkt des revisionsgerichtlichen Urteils entschiede (st. Rspr., vgl. u.a. BVerwG, Urt. v. 13.2.2014 – 3 C 1.13 – [zfs 2014, 296 =] BVerwGE 149, 74 Rn 13 m.w.N.). Anzuwenden sind danach das StVG i.d.F. v. 5.3.2003 (BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes v.24.5.2016 (BGBl I S. 1217), sowie die Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV v. 13.12.2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung v. 2.10.2015 (BGBl I S. 1674).
[14] Dabei ist, nachdem die Bekl. die Ablehnung des Fahrerlaubnisantrags auf § 11 Abs. 8 S. 1 FeV gestützt hat, zu beachten, dass, soweit es für die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung darauf ankommt, ob die vorausgegangene Aufforderung zur Beibringung eines Fahreignungsgutachtens zu Recht erfolgt ist, dies nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt ihres Ergehens zu beurteilen ist (so im Hinblick auf die Verwertbarkeit von Verkehrsstraftaten: BVerwG, Beschl. v. 21.5.2012 – 3 B 65.11 – Buchholz 442.10 § 65 StVG Nr. 2 Rn 7; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 11 FeV Rn 55).
[15] 2. Voraussetzung für die Erteilung einer Fahrerlaubnis ist die Fahreignung des Bewerbers (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 StVG). Nach § 11 Abs. 1 S. 1 FeV müssen die Bewerber die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Nach § 11 Abs. 1 S. 2 FeV sind die Anforderungen insb. nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kfz ausgeschlossen ist. Außerdem dürfen die Bewerber nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen haben, so dass dadurch die Eignung ausgeschlossen wird (§ 11 Abs. 1 S. 3 FeV).
[16] a) Gem. § 2 Abs. 8 StVG i.V.m. § 11 Abs. 2 S. 1 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde, wenn Tatsachen bekannt werden, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, zur Vorbereitung der Entscheidung über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. Nach § 11 Abs. 3 S. 1 FeV kann zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach Abs. 1 und 2 die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) unter anderem angeordnet werden, 4. und bei einem erheb...