VVG § 28; BGB § 166
Leitsatz
Hat ein VN seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau das versicherte Kfz zur alleinigen Benutzung überlassen, so ist ihm deren Wissen um entstandene Vorschäden zuzurechnen; verschweigt er sie, handelt er arglistig.
(Leitsatz der Schriftleitung)
LG Saarbrücken, Urt. v. 21.6.2016 – 14 S 32/15
Sachverhalt
Der Kl. verlangt von der Bekl., seinem Vollkaskoversicherer, eine Entschädigung wegen eines angeblichen Vandalismusschadens 2014. Das seit 2011 bei der Bekl. versicherte Kfz war seit 2008 auf seine von ihm getrennt lebende Ehefrau zugelassen und wurde von dieser auch bis zur Übernahme durch ihn 2013 allein benutzt. In der Schadenanzeige verneinte er reparierte und unreparierte Vorschäden und fügte auf die Frage nach Vorschäden beim Vorbesitzer "nicht bekannt" ein. In Wirklichkeit war das Kfz 2012 in zwei der Ehefrau, nicht aber dem Kl. bekannte Schadenfälle verwickelt.
2 Aus den Gründen:
" … Die Bekl. ist jedenfalls deshalb von ihrer Eintrittspflicht frei geworden, weil der Kl. nach Eintritt des angeblichen Versicherungsfalls vertragliche Auskunftsobliegenheiten verletzt hat (Ziff. E.1.3, E 6.1 AKB; § 28 Abs. 2 S. 1 VVG):"
1. Der Kl. hat in den am 15.11.2014 unterzeichneten Schadensanzeigen falsche Angaben zum Vorhandensein von Vorschäden gemacht, indem er in den beiden ihm zur Beantwortung überlassenen Fragebögen die Fragen nach Vorschäden jeweils ausdrücklich verneinte, obschon dies nicht der Wahrheit entsprach. Dadurch hat er gegen die Auskunftsobliegenheit aus Ziff. E.1.3 AKB verstoßen.
a) Ziff. E.1.3 AKB verpflichtet den VN nach Eintritt des Versicherungsfalles dazu, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadensereignisses dienen kann, insb. Fragen zu den Umständen des Schadensereignisses wahrheitsgemäß und vollständig zu beantworten. Dazu gehört auch die Pflicht, den VR wahrheitsgemäß und vollständig über solche Umstände zu informieren, die für die Höhe des Schadens von Bedeutung sind. Es ist allgemein anerkannt, dass Fragen des VR nach Vorschäden zur Aufklärung sachdienlich und vom VN richtig und vollständig zu beantworten sind. … Denn frühere Schäden können, was allgemein bekannt ist, den Marktwert eines Fahrzeugs auch dann beeinflussen, wenn sie – wie hier offenbar – repariert sind. …
aa) Vorliegend hat der Kl. die ihm gestellten Fragen objektiv unzutreffend beantwortet, indem er die Fragen nach Vorschäden sämtlich mit “nein' beantwortet hat. Denn unstreitig hatte das Fahrzeug im Jahre 2012 nicht nur einen Streifschaden in Folge eines “Ausparkunfalls' erlitten, von dem die Bekl. bei Bearbeitung des hiesigen Versicherungsfalles trotz der seinerzeit erfolgten Schadensmeldung nicht zwingend Kenntnis haben musste … , sondern darüber hinaus einen erheblichen Heckschaden aus Anlass eines Verkehrsunfalles, der durch einen SV mit Reparaturkosten in mittlerer vierstelliger Höhe kalkuliert worden war und der über einen dritten Haftpflichtversicherer abgerechnet worden war.
bb) Der Annahme, die Angaben des Kl. hätten nicht der Wahrheit entsprochen, steht im Streitfall nicht entgegen, dass der Kl. seine Antworten in dem “Ermittlungsbogen' um den handschriftlichen Zusatz “nicht bekannt' ergänzt und damit – nach seiner hier vertretenen Auffassung – relativiert hat, wovon auch das AG ausgegangen ist. Denn der Zusatz “nicht bekannt' ist vor dem Hintergrund, dass die Fragen nach Vorschäden ausdrücklich – und mehrfach – verneint wurden, aus der Sicht eines unbefangenen Lesers ganz im Gegenteil dahin zu verstehen (§§ 133, 157 BGB), dass die Angaben zur Nichtexistenz von Vorschäden “guten Gewissens' gemacht werden sollen und dadurch noch bekräftigt werden. Dem entspricht es, dass bei den Angaben in dem Fragebogen zum Vandalismusschaden hinsichtlich “nicht behobener Schäden' auf das “Gutachten Sachverständiger' verwiesen wird. Dieses Gutachten, das die Bekl. zur Akte gereicht hat, enthält als Angaben zu nicht reparierten Vorschäden nämlich nur den Hinweis auf “Lackschaden Stoßfängerecke vorne links, Delle mit Lackschaden an Seitenwand vorne rechts, allg. Gebrauchsspuren', und damit auf kleinere Lackschäden, die auf den Wert des Fahrzeugs erkennbar ohne Einfluss sind. Insb. der erhebliche Heckschaden aus dem Jahr 2012 wird darin nicht erwähnt. Die Verneinung der Frage nach Vorschäden verbunden mit einem Verweis auf das Gutachten enthält dadurch konkludent die Erklärung des Kl., andere Vorschäden seien an dem Fahrzeug nicht vorhanden. Das aber traf – wie gesehen – nicht zu.
b) Von der Unrichtigkeit seiner Angaben hatte der Kl. auch Kenntnis.
aa) In der Rspr. ist seit langem geklärt, dass in Fällen, in denen eine vertraglich vereinbarte, nach dem Versicherungsfall zu beachtende Obliegenheit an die Kenntnis des VN von einem bestimmten Umstand oder Ereignis anknüpft, ein bloßes “Kennenmüssen' nicht ausreicht, vielmehr positive Kenntnis erforderlich ist (BGH NJW-RR 2008, 1062). Die Kenntnis der nach Eintritt des Versicherungsfalls mitzuteilenden Umstände gehört zum objektiven Tatbestand der Verletzung der Aufklärungsobliegenheit, den der VR zu beweis...