ZPO § 286; VVG § 33 § 41 § 69 § 73; BGB § 164 Abs. 3; ARB § 11 A (2)
Leitsatz
Der VN muss beweisen, dass und zu welchem Zeitpunkt er den VR durch Zugang einer entsprechenden Anzeige über die Voraussetzungen für eine Herabsetzung der Prämienhöhe unterrichtet hat.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Saarbrücken, Urt. v. 5.10.2016 – 5 U 62/15
Sachverhalt
Die Bekl. unterhält bei der Kl. einen Immobilienrechtsschutzversicherungsvertrag für das Objekt X. Als Jahresbruttomiete waren in der Police für die Prämienberechnung 154.000 EUR angegeben. Diesen – von dem Bekl. bei Abschluss des Vertrages erwarteten – Mietzins konnte er später nicht realisieren. In den AVB war bestimmt, dass der VR nur einen geringeren als den vereinbarten Beitrag verlangen dürfe, wenn ein Umstand eintrete, der einen niedrigeren Betrag rechtfertige. Zeige er diesen Umstand später als zwei Monate nach dessen Eintritt an, werde der Beitrag erst von dem Eingang der Anzeige an herabgesetzt. Der Bekl. blieb den Beitrag für die Monate April 2013 bis Oktober 2013 trotz Mahnung der Kl. schuldig. Der Bekl. behauptet, er habe der Kl. über die Zeugin C die reduzierte Jahresbruttoprämie mitgeteilt. Im Verlauf des Rechtsstreits ist unstreitig geworden, dass C eine Geschäftsstelle der Kl. unterhalten hatte.
2 Aus den Gründen:
"… II. Die Berufung der Kl. hat keinen Erfolg. Die Bekl. schuldet die vereinbarten Versicherungsprämien (…) nicht. Die Bekl., die darlegungs- und beweisbelastet dafür war, dass sie der Kl. den prämienreduzierenden Umstand der verringerten Jahresbruttomiete im April 2013 mitgeteilt hat, hat diesen Beweis geführt."
(1.) Zu Recht geht das LG vom Grundprinzip der Beweislastverteilung aus, nach dem jede Partei die Voraussetzungen einer ihr günstigen Norm zu behaupten und zu beweisen hat. Das führt dazu, dass auf der ersten Ebene der Anspruchsteller für die rechtserzeugenden Tatsachen seines Anspruchs beweispflichtig ist. Auf einer zweiten Ebene trägt derjenige, welcher sich auf Nichteintritt, Hemmung oder Untergang des an sich bestehenden Anspruchs beruft, die Beweislast für die rechtshindernden, rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen. Auch den rechtsvernichtenden Tatsachen können vernichtungshindernde (rechtserhaltende) Tatsachen gegenübertreten, die wiederum zu einer auf der Gegenseite liegenden Beweislast führen. (…)
Damit ist allerdings keine Lösung für den vorliegenden Fall zu finden, denn die entscheidende Frage ist, ob der Eintritt der Verringerung der Jahresbruttomiete bereits die rechtsvernichtende Tatsache ist und die verspätete Anzeige die teilweise vernichtungshindernde Tatsache ist – wie es das LG angenommen hat – oder ob zu der rechtsvernichtenden Tatsache, für die der VN beweisbelastet ist, nicht nur die Verringerung der Jahresbruttomiete gehört, sondern auch die Mitteilung dieses Umstandes gegenüber dem VR.
Diese Frage ist durch Auslegung zu ermitteln. (…)
Die Auslegung darf nicht bei der ersten Überlegung enden, dass nach § 11 A (2) S. 1 ARB 2011 die Beitragsminderung lediglich an den Eintritt des entsprechenden Umstandes geknüpft und nachfolgend in S. 2 bestimmt ist, dass die Minderung erst vom Eingang der Anzeige an stattfindet, wenn die Anzeige später als zwei Monate nach dem Eintritt des Umstandes erfolgt. Ein solches Verständnis, welches S. 2 als vom VR zu beweisende Ausnahme von S. 1 ansieht, berücksichtigt nicht den Umstand, dass der VN zur Anzeige verpflichtet und der VR auf diese angewiesen ist (auch wenn § 11 ARB 2011 lediglich in Abs. 3 von einer Pflicht spricht). Dieser Umstand ist dem durchschnittlichen VN bei verständiger Würdigung klar, denn ohne Anzeige von veränderten Umständen erhält der VR im Falle der Prämienerhöhung zu Unrecht eine zu geringe Prämie (und ist dem Insolvenzrisiko des VN ausgesetzt) und im Falle der Prämienherabsetzung wäre der VR nicht vorhersehbaren Rückzahlungsansprüchen ausgesetzt. (…) Es ist deshalb bei einem verständigen Leser davon auszugehen, dass er erkennt, dass S. 2 dem VN nur den Vorteil einer rückwirkenden Beitragsminderung bei einer verspäteten Anzeige bis zu zwei Monaten belässt (und dazu für diesen Zeitraum von maximal zwei Monaten von § 41 VVG abweicht), jedoch die spätere Anzeige als zwei Monate nach Eintritt des Umstandes nicht als Ausnahmefall bestimmt, den der VR beweisen müsste.
Es ist außerdem zu beachten, dass der Schuldner für die Erfüllung einer in einem positiven Tun bestehenden Vertragspflicht nach allgemeinen Grundsätzen beweisbelastet ist. Dies gilt insb. auch dann, wenn an die Nichterfüllung besondere Rechtsfolgen zugunsten des Gläubigers geknüpft sind. Auch in diesem Fall muss der Schuldner sich durch den Nachweis des geschuldeten positiven Tuns entlasten, und es kann nicht dem Gläubiger der negative Beweis der fehlenden Erfüllung auferlegt werden. (…)
Für die Anzeige, die der VN als Nebenpflicht schuldet, ist folglich er beweisbelastet. Da es bei einer Anzeige auch auf den Zugang beim Erklärungsgegner ankommt (§ 130 BGB), kommt außerdem der Grundsatz zur Anwendung, dass derjenige die Beweislast ...