Die geschichtliche Entwicklung des § 10 StVO sollte in dem Zusammenhang kurz dargestellt werden. Bis zum Jahr 1988 war in § 10 StVO formuliert: "Wer aus einem Grundstück oder aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325/326 – heute Zeichen 325.1 und 325.2) auf eine Straße oder von anderen Straßenteilen auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen."
Mit der neunten ÄnderungsVO zur StVO wurde die Bestimmung erweitert: "Wer aus einem Grundstück, aus einem Fußgängerbereich (Zeichen 242 und 243), aus einem verkehrsberuhigten Bereich (Zeichen 325/326) auf die Straße oder von anderen Straßenteilen oder über einen abgesenkten Bordstein hinweg auf die Fahrbahn einfahren oder vom Fahrbahnrand anfahren will, hat sich dabei so zu verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist; erforderlichenfalls hat er sich einweisen zu lassen."
Hier wurde somit der Fußgängerbereich mit aufgenommen. Die amtliche Begründung dazu lautete: "Nach geltendem Recht muss derjenige, der aus einem Grundstück usw. auf eine Straße fährt, sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Von ihm wird also ein ganz besonderes Maß an Sorgfalt, das Äußerste an Sorgfalt verlangt. Dies muss ferner nicht nur dann gelten, wenn jemand aus einem verkehrsberuhigten Bereich hinausfährt, sondern auch dann, wenn jemand aus einem Fußgängerbereich herausfährt. Denn auch aus diesem Bereich kommen während der Ladezeiten Kraftfahrzeuge. Dasselbe gilt, wenn z.B. eine Wohnstraße, in der Anliegerverkehr zugelassen ist, über einen abgesenkten Bordstein auf eine andere Straße geführt wird. Alle diese Fälle sind gleich zu behandeln. Die Ergänzung des § 10 StVO trägt dem Rechnung. Zur Klarstellung wird vermerkt, dass in all diesen Fällen nicht der Grundsatz "rechts vor links" gilt, sondern dem Ausfahrenden die besondere Sorgfalt des § 10 StVO gegenüber jeglichem Verkehr auf der Straße obliegt, in die er einfährt."
Damit dürfte sich der Verordnungsgeber auf all den Flächen festgelegt haben, dass hier die besondere Bestimmung aus § 10 StVO anzuwenden ist. Sicher werden auch Konfliktsituationen genannt, bei denen es sich begrifflich um Vorfahrt i.S.d. § 8 StVO handeln könnte (man hat zwei Straßen, bei denen sich die Fahrlinien von zwei Fahrzeugen, die aus den unterschiedlichen Straßen kommen, schneiden oder bedenklich nahe kommen), nun wird aber speziell für diese Situationen eine eigene Regelung geschaffen.
Der BGH hatte sich im Jahr 1988 mit der Bestimmung auseinander zu setzen, als es zu einem Verkehrsunfall zwischen einer Straßenbahn und einer Fahrzeugführerin kam. Hier war dem aus der Fußgängerzone in westlicher Richtung ausfahrenden Straßenbahn- und Linienbusverkehr durch Zeichen 301 (Vorfahrt) – der Vorrang vor dem Verkehr auf der D-Straße eingeräumt. Vor der Einmündung der D-Straße in die K-Straße befindet sich das Zeichen 205 (Vorfahrt gewähren). Beim Überqueren der K-Straße stieß die Tochter der Klägerin mit der aus dem Fußgängerbereich ausfahrenden Straßenbahn zusammen. Wegen der Nichtbeachtung des Zeichens 205 (Vorfahrt gewähren) lässt die Klägerin sich ein Eigenverschulden anrechnen. Sie macht die beklagte Stadt für den darüber hinausgehenden Schaden aus Amtspflichtverletzung verantwortlich. Die Beklagte habe ihre Verkehrsregelungspflicht verletzt, da sie der Straßenbahn keinesfalls die Vorfahrt vor dem Verkehr auf der D-Straße habe einräumen dürfen.
Zum damaligen Zeitpunkt war § 10 StVO noch anders gefasst. Somit durfte die Straßenverkehrsbehörde den Verkehr entsprechend regeln. Mit der Vierundzwanzigsten Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 7.8.1997 wurde die Bestimmung erneut ergänzt. Es wurde nun S. 3 eingeführt. "Dort, wo eine Klarstellung notwendig ist, kann Zeichen 205 stehen." Die Begründung dazu lautete: "(…) Ausnahme zum Grundsatz, dass Zeichen 205 nur an Kreuzungen und Einmündungen von Fahrbahnen zur Regelung der Vorfahrt aufgestellt werden. Davon soll nur im Einzelfall dort Gebrauch gemacht werden, wo besondere Umstände dies aus Gründen der Verkehrssicherheit dringend erfordern. Es soll dabei die negative Beschilderung mit Zeichen 205/206 (abweichend von BGH v. 24.3.1988, DAR S. 269) genügen, da die Zeichen nur die allgemeine Verkehrsregel des § 10 S. 1 klarstellen und verdeutlichen sollen. Allerdings wird wegen des Vorrangs der Verkehrszeichenregelung der Gefährdungsausschluss anderer abgeschwächt. Bereits deshalb ist eine zurückhaltende Anwendung angebracht."“
Wichtig erscheint zunächst in dem Zusammenhang der Hinweis auf die BGH-Rechtsprechung. Darin ging es, wie erläutert um die Ausfahrt aus einer Fußgängerzone. In dem Fall sollte dem Verkehr aus der Fußgängerzone Vorrang eingeräumt werden. Hier soll im Grunde die Regel aus § 10 StVO verdeutlicht werden.