Wenn man nun § 39 Abs. 2 StVO betrachtet, ist darin ausgeführt, dass Regelungen durch Verkehrszeichen den allgemeinen Verkehrsregeln vorgehen.
Durch die Aufstellung von Zeichen 205 an diesen Stellen wird jedoch keine – umfassend – andere Verkehrsregelung geschaffen. Nach § 10 StVO hat der "Ausfahrende" einen Gefährdungsausschluss zu gewährleisten. An Stellen, wo dies nicht eindeutig ist, soll zur Klarstellung die Person auf dieses Verhalten hingewiesen werden. Er muss sich nach § 10 StVO verhalten und muss auch wenn notwendig anhalten und zwar auf allen Flächen, die in § 10 StVO genannt werden. Somit sieht man das Zeichen auch am Ende eines Radwegs oder bei der Überquerung eines Radwegs zu einer Fahrbahn, an Ausfahrten von Einkaufsmarktparkplätzen, aber auch an Ausfahrten aus einem verkehrsberuhigten Bereich.
Es wird somit hier keine neue Regelung geschaffen. Der Verstoß müsste somit weiterhin ein Verstoß gegen § 10 StVO sein und zwar auch dann, wenn Zeichen 205 aufgestellt ist. Würde man einen Verstoß gegen § 8 Abs. 2 StVO annehmen, der nur dann möglich ist, wenn es sich um einen Vorfahrtsfall handelt, könnten nicht alle Situationen aus § 10 StVO einschlägig sein. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn die Person, die durch § 10 StVO geschützt werden soll, ein Fußgänger wäre. § 39 Abs. 2 StVO, der festhält, dass die Regelung durch Verkehrszeichen den allgemeinen Regeln vorgehen, wird dann angewandt, um ein anderes Verhalten von einem Fahrzeugführer zu verlangen, als dies in einer entsprechenden Bestimmung gefordert wird.
§ 10 StVO verlangt, bei entsprechenden Verhaltensweisen einen Gefährdungsausschluss, ein Vorfahrtsverstoß ist schon möglich, wenn es zu einer wesentlichen Behinderung kommt. Dies ist in der Tat der wesentliche Unterschied, was die Regelungsinhalte der beiden Bestimmungen betrifft. Das Verkehrszeichen stellt bei Zeichen 205 klar, wer ein Fahrzeug führt, muss Vorfahrt gewähren. Vorfahrt ist das Recht, dass ein Fahrzeugführer vor einem anderen Fahrzeugführer zuerst fahren darf. Somit wären alle anderen Verkehrsteilnehmer davon nicht erfasst. Käme es folglich zu einem schädigenden Ereignis mit einem Fußgänger, wäre § 10 StVO einschlägig und somit ein Verwarnungstatbestand, wenn es sich nicht um eine fahrlässige Körperverletzung handeln würde.
Der Grundsatz der Aufstellung der Verkehrszeichen vor Kreuzungen und Einmündungen sollte hiernach erweitert werden. Dadurch ein Verstoß gegen § 8 Abs. 2 StVO zu begründen, auch wenn es sich nicht um eine Kreuzung oder Einmündung handelt, könnte problematisch gesehen werden. Zeichen 205 i.S.d. § 8 StVO besagt nach Abs. 1 zunächst nur, wer zuerst fahren darf – abweichend von dem Grundsatz rechts vor links. Wie man sich nun genau zu verhalten hat, wird in § 8 Abs. 2 StVO erläutert. Dabei wird unterschieden in die Anfahrt zur Kreuzung/Einmündung und die anschließende Weiterfahrt. Bei § 10 StVO geht es um den Gefährdungsausschluss bei der Einfahrt.
Interessant bei der Begründung ist zunächst, dass festgehalten wird: "Es genügt die negative Beschilderung, weil nur die allgemeine Regel des § 10 verdeutlicht wird." Um es einfach auszudrücken, derjenige, der sich nicht sicher sein kann, wie er sich verhalten muss, dem soll plastisch vor Augen geführt werden "Vorsicht, beachte die übrigen Verkehrsteilnehmer bei der Einfahrt", auch für den Fall, beim dem kein eigentlicher Vorfahrtsfall vorliegt. Ein Verstoß gegen Zeichen 205 ist im Bußgeldkatalog nicht mit einem Bußgeld bewährt. Das Verkehrszeichen regelt zunächst nur, wer i.S.d. § 8 Abs. 1 StVO, sollte es sich um zwei Fahrzeuge handeln, zuerst fahren darf. Auch durch die amtliche Begründung ist es weiterhin vom Grundsatz her ein Fall des § 10 StVO. Wäre es unklar, ob es nun ein Fall des § 10 StVO oder des § 8 StVO ist und man wollte von der Regelung "rechts vor links" abweichen, müsste, wenn man der Rechtsprechung des BGH folgt auch eine positive Beschilderung vornehmen. Hier soll es aber so bleiben, dass der Ausfahrende derjenige ist, der im Schadens- bzw. Gefährdungsfall den Verstoß begeht.
Selbst wenn man von einem Vorfahrtsfall bei einigen Situationen ausgehen würde, muss man sich die Frage stellen, wie trotz Zeichen 205 zu verfahren ist, wenn es um eine Konfliktsituation mit dem Fußgänger geht, dann kann nicht von einem Vorfahrtsfall ausgegangen werden. Hier ist der Verfasser der Meinung, dass dann aber nicht mit zweierlei Maß bei der Ausfahrt aus solchen Bereichen gemessen werden kann. Der Fußgänger darf hier nicht weniger geschützt sein, als der Fahrzeugführer.
Dass ein Verstoß gegen § 10 StVO, auch im Schadensfall, nur einen Verwarnungstatbestand erfüllt, ist für den Verfasser nicht befriedigend. Dies auch dann nicht, wenn diese Person bei der Ausfahrt aus dem Bereich mit Zeichen 205 darauf hingewiesen wird; es soll bedeuten "Vorsicht, andere dürfen zuerst fahren".