VVG § 28 Abs. 2; VGB 1998 Nr. 14.2.4 Nr. 15
Leitsatz
Dem VN obliegt es nicht, den für den Eintritt eines Versicherungsfalls möglicherweise verantwortlichen Schädiger vorrangig in Anspruch zu nehmen.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Celle, Urt. v. 6.2.2017 – 8 U 5/17
Sachverhalt
Der Kl. verlangt von der Bekl., bei dem er einen Wohngebäudeversicherungsvertrag unterhielt, Ersatz eines durch einen Brand verursachten Gebäudeschadens. Dieser Brand war – möglicherweise – durch Mitarbeiter der Streithelferin verursacht worden, die die Kl mit der Herstellung einer neuen Dachbeschichtung beauftragt hatte, in deren zeitlichem Ablauf es zu dem Brand gekommen war. Die Bekl. wendet zum einen ein, der Kl. sei zur vorrangigen Inanspruchnahme der Streithelferin, die ihm Naturalrestitution schulde, verpflichtet; im Übrigen seien die Aufwendungen für Arbeiten der Streithelferin nach dem Versicherungsfall "Sowieso-Kosten", die die Bekl. nicht zu ersetzen habe.
2 Aus den Gründen:
"… 4. Die Bekl. ist nicht wegen einer Obliegenheitsverletzung der Kl. gem. Ziff. 14.2.4 VGB 98 i.V.m. § 28 Abs. 2 VVG leistungsfrei."
a) Dem Beklagtenvortrag kann bereits nicht entnommen werden, dass die Kl. die in Ziff. 14.2 aufgeführten nachvertraglichen Obliegenheiten verletzte. Danach hat die Kl. in erster Linie die Bekl. zu informieren und deren Weisungen zur Schadenminderung zu beachten. Hierunter fällt aber nicht die gerichtliche Inanspruchnahme einer für den Versicherungsfall möglicherweise verantwortlichen dritten Person. Eine solche Maßnahme ist nicht geeignet, den durch den Versicherungsfall verursachten Schaden zu mindern. Hierdurch kann nur erreicht werden, dass sich die vom Gebäudeversicherer geschuldete Leistung reduziert. Das hat aber mit dem Schaden i.S.v. Ziff. 15 VGB 98 nichts zu tun (vgl. Koch, in: Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., § 82, Rn 56).
b) Unabhängig hiervon entspricht die Sanktionenregelung in Ziff. 14.2.4 VGB 98 nicht dem ab dem 1. 1. 2008 geltenden Recht. Das hat die Unwirksamkeit der vertraglichen Sanktionsklausel zur Folge (vgl. BGH RuS 2015, 347; BGH VersR 2011, 1550). Deshalb bliebe der Einwand der vollständigen oder teilweisen Leistungsfreiheit selbst dann ohne Erfolg, wenn die Kl. gegen ihre Obliegenheiten verstoßen hätte.
5. Die Höhe der von der Kl. geltend gemachten Reparaturkosten ist nicht zu beanstanden. Gem. Ziff. 15.1.2 VGB 98 schuldet die Bekl. Zahlung der erforderlichen Reparaturkosten. Dass es sich bei dem von der Kl. geltend gemachten Betrag um die erforderlichen Reparaturkosten handelt, hat die Bekl. im Termin zur mündlichen Verhandlung am 31.8.2016 ausdrücklich unstreitig gestellt. Der Anspruch der Kl. erstreckt sich auch auf die Umsatzsteuer. Den Feststellungen des Sachverständigen zufolge ist der Brandschaden mittlerweile vollständig behoben.
Demgegenüber ist unerheblich, ob es sich bei den von der Streithelferin nach dem Brand durchgeführten Arbeiten um eine Form von Schadensersatz im Sinne von § 249 BGB handelt oder ob diese Arbeiten aufgrund der ursprünglichen werkvertraglichen Vereinbarung mit der Kl. sowieso hätten durchgeführt werden müssen. Diese Aspekte sind lediglich im Schadensersatzrecht zu berücksichtigen. Ein solches Recht ist im vorliegenden Fall aber nicht streitgegenständlich. Streitgegenständlich ist vielmehr ein versicherungsvertraglicher Anspruch der Kl. gegen die Bekl. In welchem Umfang der Kl. aus dem Vertrag Ansprüche zustehen, bestimmt sich allein auf der Grundlage des Vertrags. Wenn der Vertrag aber einen Abzug von Sowiesokosten nicht vorsieht und die Höhe des Anspruchs auch nicht explizit an die Vorschriften der §§ 249 ff. BGB knüpft, kann sich der VR auf die zum Schadensrecht entwickelten Grundsätze auch nicht berufen (vgl. Baumann, in: Bruck/Möller, a.a.O., § 1, Rn 127). …“
zfs 8/2018, S. 453 - 454