1. Die Entscheidung des OLG Celle ist kurz vor der Entscheidung des BGH v. 12.10.2011 (VersR 2011/1550) ergangen. Ihre (nicht abgedruckten) Gründe zu 2b nehmen die Argumentation des BGH vorweg, nach der eine unterlassene Anpassung der alten AVB dazu führt, dass die dort enthaltene, § 6 Abs. 3 VVG a.F. entsprechende Sanktionsregelung nicht mehr gilt und auch nicht aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 28 Abs. 2 VVG, geltungserhaltenden Reduktion oder ergänzenden Vertragsauslegung, dem Vertrag eine neue eingepflanzt werden kann. Das gilt auch, wie das OLG Celle zu Recht ausführt, für § 5 KfzPflVV, der gerade keine gesetzliche "Auffangregelung" enthält. Die Vorschrift enthält gar keine Regelung der Leistungsfreiheit bei Verletzung einer Obliegenheit, sondern setzt eine solche nur voraus.
Die Entscheidung des OLG Celle betont, dass diese Rspr. auch dann gilt, wenn der VR nicht beweisen kann, dass dem VN die nach Art. 1 Abs. 3 EGVVG zulässige Mitteilung über eine Änderung der AVB zugegangen ist.
2. Allerdings hat der BGH auf verbleibende Rechte des VR aufmerksam gemacht. Sie können im Regressfall bedeutsam sein, weil es für den Rückgriffsanspruch nach § 426 Abs. 2 S. 1 BGB, §§ 115 Abs. 1 S. 3, 116 Abs. 1 S. 2 VVG darauf ankommt, ob der VR dem VN gegenüber nach dem Versicherungsverhältnis leistungsfrei ist.
a. Leistungsfreiheit kann sich bei einer Trunkenheitsfahrt allerdings nicht aus §§ 23 Abs. 1, 26 Abs. 1 VVG wegen Gefahrerhöhung ergeben. Der Gebrauch des Kfz im Zustand absoluter Fahruntüchtigkeit ist gefährlicher als jener im nüchternen, stellt aber nach gefestigter, wenn auch bestrittener Rechtsauffassung keine Gefahrerhöhung dar, weil das Risiko nicht auf Dauer angelegt und damit geeignet ist, eine höhere Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts zu begründen (BGHZ 7, 311; a.A. u.a. Prölss/Martin/Prölls, § 23 Rn 20).
b. Leistungsfreiheit kann sich – allerdings nicht für den ersten Versicherungsfall – aus § 103 VVG ergeben. Dazu ist es allerdings notwendig, dass dem VN nachgewiesen wird, nicht nur vorsätzlich gehandelt, sondern auch den Schaden, also die beiden weiteren Unfälle, vorsätzlich herbeigeführt zu haben. Wer betrunken fährt, hofft natürlich, keinen alkoholbedingten Unfall zu verursachen, handelt also regelmäßig in Bezug auf den Schaden allenfalls bewusst fahrlässig. Ist es indessen schon zu einem ersten Unfall gekommen, ist es denkbar, dass ein VN sich weitere Kollisionen mit anderen Kfz als möglich vorstellt und billigend in Kauf nimmt. Ist das anzunehmen, kommt insoweit ein Regress in Betracht.
c. Das unerlaubte Entfernen des VN nach den beiden ersten Unfällen stellt jeweils eine Verletzung der Obliegenheit dar, die vertraglich nicht sanktioniert ist. Insoweit kann sich Leistungsfreiheit nur dann ergeben, wenn von einer Verwirkung des Entschädigungsanspruchs auszugehen ist. Den Anspruch auf Entschädigung kann ein VN verwirken, wenn sich bei wertender Gesamtschau aller Umstände ergibt, dass ein besonderer Ausnahmefall einer schweren Vertragsverletzung vorliegt, die es für den VR unzumutbar macht, sich an seinem Erfüllungsversprechen festhalten zu lassen (BGH VersR 1991, 1129). Das ist gewiss nicht für den ersten Versicherungsfall, wohl aber für die Weiterfahrt nach dem zweiten durchaus zu diskutieren.
Prof. Dr. Rixecker