VVG § 81 Abs. 2
Leitsatz
Trifft ein VN trotz winterlicher Temperaturen im Bewusstsein der Notwendigkeit von Absicherungsmaßnahmen keinerlei Vorsorge gegenüber dem Einfrieren von Leitungen, so führt er einen Leitungswasserschaden grob fahrlässig herbei. In einem solchen Fall ist eine Kürzung der Entschädigung auf Null gerechtfertigt.
(Leitsatz der Schriftleitung)
OLG Hamm, Urt. v. 27.4.2012 – 20 U 144/11
Sachverhalt
Die Parteien streiten darum, ob dem Kl. ein Anspruch auf bedingungsgemäße Leistungen aufgrund eines am 2.1.2009 entdeckten Leitungswasserschadens zusteht.
Im März 2008 kaufte der Kl. das Grundstück und begann mit Renovierungsarbeiten in dem bereits seit März 2006 leer stehenden Wohnhaus. Im Winter 2008/2009 stellte er diese dann ein und legte die Heizung still. Die wasserführenden Leitungen im Hause entleerte er nicht. In einem der Kellerräume befand sich eine zusätzliche Kaltwasserleitung, die der Kl. für die von ihm auf demselben Grundstück betriebene Waschanlage benötigte und schon deshalb nicht abstellte.
Am 2.1.2009 oder kurze Zeit davor kam es aufgrund von Temperaturen von bis zu -10°C zu Frostaufbrüchen an der zur Wasserleitung für die Waschanlage gehörenden Wasseruhr sowie im Bereich des Heizkessels und an mehreren Heizkörpern.
Der Kl. hat in erster Instanz behauptet, montags bis samstags denjenigen Keller, in dem die Wasseruhr montiert sei, durch einen Gasofen beheizt zu haben. Am Sonntag sei dies stets durch eine Elektroheizung geschehen. Morgens und abends sei der Keller durch den Zeugen C2, mittags durch ihn selbst kontrolliert worden.
Das LG hat die Klage abgewiesen.
2 Aus den Gründen:
“ … 1. Die zulässige Berufung des Kl. ist in der Sache unbegründet.
Die Bekl. kann sich zwar gegenüber dem Anspruch des Kl. nicht auf die Regelung in § 11 Nr. 2 S. 1 bis S. 3 VGB 88 berufen, aber ihm steht wegen des Versicherungsfalls v. 2.1.2009 trotzdem kein Anspruch gegen die Bekl. zu, weil er den Versicherungsfall selbst grob fahrlässig herbeigeführt hat und sein Verschulden in diesem besonderen Einzelfall nach Auffassung des Senats so schwer wiegt, dass ihm gem. § 81 Abs. 2 VVG neuer Fassung jeglicher Anspruch gegen die Bekl. zu versagen war. Dazu im Einzelnen:
1.1. Zutreffend hat das LG festgestellt, dass sich die Bekl. nicht auf die Sanktionsregelung des § 11 Nr. 2 S. 1 bis S. 3 VGB 88 wegen der Verletzung vertraglich vereinbarter Obliegenheiten berufen kann. Diese Vorschriften sind nämlich unter der Geltung des hier gem. Art. 1 Abs. 1 EGVVG anwendbaren VVG neuer Fassung unwirksam, weil die Bekl. ihre Bedingungen unstreitig nicht an die halbzwingende Vorschrift des § 28 Abs. 2 S. 2 VVG angepasst hatte …
1.2. Der im Grundsatz bestehende Anspruch des Kl. wegen des Leitungswasserschadens ist allerdings gem. § 81 Abs. 2 VVG, der als gesetzliche Auffangregelung trotz Unwirksamkeit der vertraglichen Sanktionsregelung anwendbar bleibt (siehe dazu BGH zfs 2011, 688), auf Null reduziert:
1.2.1. Dabei geht der Senat davon aus, dass der Kl. vor dem 2.1.2009 weder die Wasserleitungen abgesperrt bzw. entleert noch für eine Beheizung des betreffenden Kellers zur Vermeidung von Frostschäden an der Leitung für die von ihm betriebene Waschanlage gesorgt hatte. Das LG hat mit überzeugender Beweiswürdigung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, insb. festgestellt, dass der Kl. in dem Keller weder eine Gasheizung noch einen Elektroofen aufgestellt hatte. Die gegen die Beweiswürdigung des LG vom Kl. vorgebrachten Gesichtspunkte haben demgegenüber keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen i.S.v. § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO begründen können (wird ausgeführt).
1.2.2. Der Ansicht des Kl., wonach die Kürzung eines Anspruchs gem. § 81 Abs. 2 VVG schon sprachlich einen gewissen Restanspruch voraussetze, folgt der Senat nicht. Der BGH hat dazu mit eingehender Begründung entschieden, dass in besonderen Ausnahmefällen eine solche Kürzung auf Null gem. § 81 Abs. 2 VVG durchaus möglich sei (siehe dazu die eingehende Darstellung und Begründung im Urteil des BGH zfs 2011, 511) und dem stimmt der Senat zu … .
1.2.3. Nach Überzeugung des Senats ist hier ein solcher besonderer Ausnahmefall gegeben, der eine Kürzung des Anspruchs auf Null erfordert.
1.2.3.1. In objektiver Hinsicht hat der Kl. über einen längeren Zeitraum und trotz winterlicher Temperaturen keinerlei Sicherungsmaßnahmen gegenüber dem Einfrieren der Leitungen ergriffen. Er hat in dem schon seit längerer Zeit leer stehenden Haus die Leitungen weder entleert noch abgesperrt. Darüber hinaus hat er auch in dem Kellerraum, in dem sich die Wasserleitung für die von ihm betriebene Waschanlage befindet, weder für eine gewisse Heizung zur Gewährleistung von Frostfreiheit gesorgt noch irgendwelche Isolierungsmaßnahmen vorgenommen. Zusammenfassend handelt es sich deshalb um einen ganz besonderen Fall, in dem der Kl. für längere Zeit jegliche Sicherungsmaßnahmen unterlassen und deshalb das Erforderliche in besonders hohem Maße missachtet hat. Unter diesen Umständen...