Voraussetzungen eines etwaigen Ausgleichsanspruches sind:
Es muss eine Einwirkung auf das benachbarte Grundstück vorliegen (siehe unter I.).
Die Einwirkung muss wesentlich sein (siehe unter II.).
Es darf kein Anspruch aus § 1004 BGB bestehen bzw. bestanden haben, der die Beeinträchtigung in gleichem Maße hätte verhindern können (siehe unter III.).
Der Anspruch muss sich gegen den Ersatzverpflichteten richten (siehe unter IV.).
Den Anspruch muss der Ersatzberechtigte stellen (siehe unter V.).
I. Einwirkung
1. Legaldefinition
Nach der Legaldefinition des § 906 Abs. 1 BGB muss es sich um eine von einem anderen Grundstück ausgehende Einwirkung handeln. Als solche Einwirkungen – auch Immissionen genannt – nennt das Gesetz, nicht abschließend, die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch, Ruß, Wärme, Geräusche und Erschütterungen.
Die Einwirkungen müssen von einem Grundstück auf ein anderes zugeführt werden.
Die Grundstücke müssen jedoch nicht unmittelbar benachbart sein. Auch bei Übergreifen eines Brandes auf das übernächste Grundstück besteht daher ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB.
2. Analoge Anwendung
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB findet auch bei anderen Einwirkungen als solchen i.S.v. § 906 BGB, wie bei Grobimmissionen (z.B. Steinschlag, umstürzender Baum, Eindringen von Wurzeln, Wasser, Erdrutsch, Tannenzapfen/-nadeln) analoge Anwendung. Der nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch umfasst demnach jegliche Art der Beeinträchtigung, so auch den Fall der Vertiefung, § 909 BGB.
Eine solche Zuführung braucht der Grundstückseigentümer selbst dann nicht zu dulden, wenn die Beeinträchtigung ausnahmsweise unwesentlich oder ortsüblich sein sollte. Derartige "Grobimmissionen" sind rechtswidrig.
II. Wesentlichkeit der Beeinträchtigung
Die Wirkung der Beeinträchtigung ist nicht nach der persönlichen Einschätzung des Eigentümers zu beurteilen, sondern nach einem objektiven Maßstab unter Berücksichtigung der speziellen Zweckbestimmung des Grundstücks.
III. Subsidiarität zu § 1004 BGB
1. Primäranspruch Abwehr aus § 1004 BGB
Eine entsprechende Anwendung des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB kommt nur dann in Betracht, wenn der Geschädigte aus besonderen Gründen rechtlich oder tatsächlich gehindert gewesen wäre, einen ihm zustehenden Primärrechtsschutz geltend zu machen. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB greift demnach nicht, wenn der Geschädigte die Gefahr kannte oder hätte kennen müssen (z.B. ein Baum ist offensichtlich krank bzw. altersbedingt umsturzgefährdet). Bestand somit bereits lange Zeit vor dem Schadenereignis genügend Anlass, gegen die Gefahr vorzugehen, scheidet ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch aus. Das wird insb. nicht der Fall sein, wenn es sich um ein überraschendes Schadensereignis handelt.
2. Sekundäranspruch Ausgleich aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch tritt insoweit an die Stelle des primären Abwehranspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB, der auf Beseitigung oder Unterlassung der Beeinträchtigungen gerichtet ist. Daher setzt § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zunächst voraus, dass der Einwirkende einem solchen Abwehranspruch des Geschädigten ausgesetzt ist. Der Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass die Störereigenschaft vorliegt. Daher kann sich der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch nur gegen einen Störer i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB richten. Üblicherweise wird zwischen Handlungs- und Zustandsstörer unterschieden:
Handlungsstörer ist, wer die Beeinträchtigung durch seine Handlung oder pflichtwidrige Unterlassung adäquat verursacht hat.
Zustandsstörer ist der Eigentümer, Besitzer oder Verfügungsbefugte einer Sache, von der eine Beeinträchtigung ausgeht, jedoch nicht allein aufgrund dieser Rechtsstellung, sondern nur, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückgeht. Die bloße Stellung etwa als Eigentümer eines Grundstücks, von dem die Einwirkung ausgeht, reicht für sich allein daher noch nicht aus.
Die Frage, ob der Eigentümer eines Grundstücks für hiervon ausgehende Beeinträchtigungen des Nachbargrundstücks als Störer in Anspruch genommen werden kann, lässt sich nach dem BGH nicht begrifflich klären, sondern kann nur in wertender Betrachtung von Fall zu Fall beantwortet werden (siehe dazu nachfolgend).
Entscheidend ist, ob es Sachgründe dafür gibt, im konkreten Fall die Verantwortung dem Eigentümer des Grundstücks aufzuerlegen, von dem die Beeinträchtigung ausgeht.
3. Praxisrelevante Entscheidungen aus der Rechtsprechung
a) Umstürzen eines gesunden Baumes infolge eines orkanartigen Sturmes auf ein Nachbargrundstück
Die Störereigenschaft ist beim Umstürzen eines gesunden Baumes infolge eines orkanartigen Sturmes auf ein Nachbargrundstück nicht erfüllt. Unterhält der Eigentümer auf seinem Grundstück einen Baum und stürzt dieser infolge eines ungewöhnlich heftigen Sturms auf das Nachbargrundstück, so sind nach der Entscheidung des BGH vom 23.4.1993 die damit verbundenen Beeinträchtigungen dem Eigentümer regelmäßig nicht als Störer i.S.d. § 1...