Sieben Sätze benötigt das AG Wiesbaden, um dem VN einer von der Rspr. bislang weitgehend unerforschten aber durch ihre typische Verbindung mit dem Handyerwerb verbreiteten Handyversicherung Deckung – zu Unrecht – zu versagen. Keiner der sieben Sätze wird der rechtlichen Problematik des Streitfalls auch nur im Ansatz gerecht.
Die AVB der Handyversicherung gewähren (unter anderem) grds. Deckung bei (einfachem) Diebstahl des Mobiltelefons. Zuweilen gewähren sie Versicherungsschutz bei (einfachem) Diebstahl nur, wenn das Gerät im persönlichen Gewahrsam sicher mitgeführt wurde und schließen Schäden durch Abhandenkommen, Liegenlassen, Vergessen oder Verlieren aus (so die offenbar der Entscheidung des LG Berlin VersR 2011, 749 zugrunde liegenden AVB), zuweilen soll (wie im Streitfall) Versicherungsschutz nicht bestehen, wenn das Handy "auch nur kurz unbeaufsichtigt abgelegt" wird.
In dem der abgedr. Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der VN (wie das so Alltag ist) sein Handy in einer abgeschlossenen Sporthalle während des Sportunterrichts in der Umkleidekabine zurückgelassen. Dem AG hat das zur Abweisung der Klage genügt.
Die erste sich – bei rechtlicher Betrachtung – stellende Frage ist, ob die in den AVB enthaltenen "Gewahrsamsklauseln" einer Inhaltskontrolle standhalten oder ob sie wegen Gefährdung des Vertragszwecks nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam sind. Dafür spricht vorab (entgegen der Annahme des LG Berlin) und entgegen der zu Unrecht nur das Transparenzerfordernis des § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ansprechenden Entscheidung des AG Wiesbaden, dass ein Versicherungsvertrag, der Schutz gegen Diebstahl gewährt, das Schutzversprechen entleert, wenn er in Wirklichkeit nur Deckung für Fälle verspricht, in denen ein Diebstahl in aller Regel ausgeschlossen ist. Denn wenn ein Handy im persönlichen Gewahrsam sicher mitgeführt wird oder unter Aufsicht steht und nicht abgelegt ist, kann es kaum entwendet werden.
Die zweite sich – bei rechtlicher Betrachtung – stellende Frage ist, ob die Bedingungen Ausschlüsse oder verhüllte Obliegenheiten enthalten. Dafür kommt es nicht auf die Bezeichnung oder den Wortlaut einer Klausel an sondern darauf, ob ein bestimmtes Wagnis (Verlust durch Diebstahl) individualisierend beschrieben wird, oder ob der Versicherungsschutz von einem bestimmten Verhalten des VN abhängig gemacht wird (einer bestimmten Verwahrung der versicherten Sache; vgl. BGH zfs 2004, 466 zu Aufbewahrungsklauseln der Haushaltversicherung). Wenn AVB den Versicherungsschutz davon abhängig machen, dass ein Handy "im persönlichen Gewahrsam sicher mitgeführt" wurde, spricht Manches für eine Verhaltensanforderung, wenn sie erwarten, dass ein Handy nicht "auch nur kurz unbeaufsichtigt abgelegt" wird Alles.
Das AG Wiesbaden spricht dann auch (richtig) von einer Obliegenheitsverletzung, meint das aber wohl gar nicht. Denn bei Verletzung einer Obliegenheit richtet sich die Leistungsfreiheit nach § 28 Abs. 2 VVG, tritt also nur bei vom VR zu beweisendem Vorsatz ein, bei grober Fahrlässigkeit erlaubt sie (regelmäßig) lediglich eine Kürzung der Entschädigung.
Manchmal braucht man zur Rechtsfindung eben mehr als sieben Sätze.
Prof. Dr. Rixecker