BGB a.F. § 852 Abs. 1, § 197
Leitsatz
1. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB a.F. gilt nur für das Stammrecht, nicht dagegen für die aus dem Stammrecht fließenden weiteren Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen. Für diese gilt (unmittelbar) die vierjährige Verjährungsfrist des § 197 BGB a.F.
2. Die ausschließliche Anwendbarkeit des § 197 BGB a.F. gilt auch hinsichtlich des Beginns der Verjährungsfrist. Deshalb können Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen bereits vor Kenntniserlangung verjährt sein.
BGH, Urt. v. 10.1.2012 – VI ZR 96/11
Sachverhalt
Die Kl., die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch die Wehrbereichsverwaltung West, macht gegen den beklagten P auf sie übergegangene Schadensersatzansprüche des K geltend. Dieser ist Halbwaise nach einem verstorbenen Hauptfeldwebel der Bundeswehr. Er erlitt aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers in einem Krankenhaus der Bekl. im September 1989 einen Gesundheitsschaden. Seit Mai 1991 ist er deshalb als Schwerbehinderter anerkannt.
Die Kl. zahlte an K wegen dessen Behinderung über die eigentliche Bezugsdauer nach Vollendung des 18. Lebensjahres und Ende der Schulausbildung hinaus Waisengeld und zudem Beihilfe sowie ab September 1995 Pflegegeld.
Mit Urt. v. 18.11.1996 wurde der Bekl. in einem vorangegangenen Rechtsstreit verurteilt, an den Geschädigten ein Schmerzensgeld i.H.v. 150.000,– DM nebst Zinsen zu zahlen, da im Rahmen einer ärztlichen Behandlung im Krankenhaus des Bekl. behandlungsfehlerhaft ein WPW-Syndrom nicht diagnostiziert worden sei.
Mit Schreiben v. 5.8.1998 reichte die Mutter des Geschädigten bei der zuständigen Wehrbereichsverwaltung das vorbezeichnete Urt. mit dem zutreffenden Hinweis ein, dass ein zwischenzeitlich eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen worden sei. Durch Verfügung v. 31.7.2002 des Dezernats IV 7.3.6. wurde die Sache an das Dezernat II 6 abgegeben "zwecks Prüfung, ob ein Erstattungsanspruch geltend gemacht werden kann". Daraufhin wandte sich die zuständige Sachbearbeiterin der Regressabteilung am 21.8.2002 erstmals direkt an den Kommunalen Schadensausgleich Schleswig-Holstein (KSA) als VR des beklagten Kreises. Daran schlossen sich weiterer Schriftverkehr und Telefonate an. Der KSA vertrat die Auffassung, dass die Forderung bis einschließlich 1999 verjährt sei und leistete für die Zeit ab 1.1.2000 Zahlungen. Mit Schreiben v. 25.7.2005 verzichtete der KSA auf Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 20.7.2006, soweit noch nicht "bereits Verjährung eingetreten ist". Die vorliegende Klage ist am 13.7.2006 beim LG eingegangen.
Das LG hat der – nach teilweiser Erledigung – auf Zahlung von 26.368,09 EUR und Feststellung gerichteten Klage i.H.v. 5.805,80 EUR und hinsichtlich des Feststellungsantrags stattgegeben und sie hinsichtlich des weiter gehenden Leistungsantrags wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Berufung der Kl. hat das BG die Bekl. auch insoweit verurteilt. Mit der vom BG zugelassenen Revision begehrt die Bekl. die Wiederherstellung der Entscheidung des LG.
2 Aus den Gründen:
[6] “I. Das BG hat ausgeführt: Der Anspruch der Kl. gegen den Bekl. aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 30 Abs. 3 Soldatengesetz (SG a.F.), § 87a Bundesbeamtengesetz (BBG a.F.) wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung anlässlich des Krankenhausaufenthaltes des K. sei bezüglich des Zeitraums vom 1.7.1991 bis 31.12.1997 entgegen der Ansicht des LG nicht verjährt.
[7] Für den rechtskräftig ausgeurteilten Schmerzensgeldanspruch gelte die dreißigjährige Verjährungsfrist. Für den parallel laufenden Anspruch auf Ersatz materiellen Schadens in Form wiederkehrender Leistungen habe zunächst altes Recht gegolten. Wiederkehrende Leistungen seien danach, unabhängig davon, ob sie aus einem vertraglichen oder deliktischen Stammrecht folgen, nach den §§ 197, 201 BGB a.F. binnen vier Jahren verjährt. Zutreffend habe das LG ausgeführt, dass die von der Kl. geltend gemachten Ansprüche (Beihilfe, Pflegegeld, Waisenrente) solche auf wiederkehrende Leistungen seien. Dies würde bedeuten, dass Ansprüche für den Zeitraum bis 31.12.1997 bei Inkrafttreten des Schuldrechtsänderungsgesetzes zum 1.1.2002 verjährt wären, wie das LG entschieden habe.
[8] Das LG habe jedoch nicht berücksichtigt, dass nicht der Geschädigte selbst die Ansprüche geltend mache, sondern dass sie mit dem Schadensfall gem. § 30 Abs. 3 SG a.F., § 87a BBG a.F. auf die Kl. übergegangen seien. Im Falle einer cessio legis von deliktischen Ansprüchen stehe nach st. Rspr. des BGH einer Anwendung von § 197 BGB a.F. entgegen, dass nach dieser Regelung die Verjährung unabhängig von der Kenntnis des Gläubigers eintrete. Denn die besondere Vorschrift des § 852 BGB a.F. bestimme für Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung, dass die Verjährung nicht schon mit der Entstehung des Anspruchs beginne, sondern dass der Anspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an verjähre, an dem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlange, und ohne Rücksicht auf diese Kenntnis erst in 30 Jahren von der Begehung der Hand...