Das KG tangiert mit seiner Entscheidung gleich zwei wesentliche Aspekte des Verkehrsstrafrechts, einmal die Frage der Vorhersehbarkeit bei einem Fahrlässigkeitsvorwurf, hier § 229 StGB, zum anderen die Frage, welche Zeit verstrichen sein muss, um von einem Absehen vom Fahrverbot mangels Zweckerreichung Abstand zu nehmen.
Bezüglich der objektiven Vorhersehbarkeit des tatbestandlichen Erfolgs sind davon schon ausweislich der auch vom KG zitierten Rspr. des BGH nur Ereignisse ausgenommen, die so sehr außerhalb des Bereichs jeglicher Wahrscheinlichkeit und des nach der Lebenserfahrung Möglichen liegen, dass vernünftiger- und billigerweise niemand mit deren Eintritt zu rechnen braucht (König in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Aufl. 2013, § 222 StGB, Rn 11). Die Vielzahl verkehrsrechtlicher Ge- und Verbote an sich zeigt dem Verkehrsteilnehmer schon auf, dass bei Übertretung die Gefahr eines Unfalls nahe liegt (OLG Karlsruhe NZV 1990, 199). Dies bedeutet gleichsam auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer, dass er sich nicht grenzenlos auf den Vertrauensgrundsatz (s. dazu NK-GVR/Kastenbauer, 1. Aufl. 2014, § 222 StGB, Rn 27) berufen kann, sondern auch in bestimmtem Umfang mit Verstößen anderer rechnen muss, da diese ständig möglich sind (BayObLG NZV 1989, 201; BayObLG DR 1978, 190).
Des Weiteren wird der Klassiker des Zeitablaufs zwischen Tat und Urteil für die Anordnung des Fahrverbots nach § 44 StGB angesprochen. Zunächst muss man sich darüber im Klaren sein, dass es einen Unterschied ausmacht, ob über den Zeitablauf für ein Fahrverbot in Strafsachen oder in Bußgeldsachen gesprochen wird (OLG Hamm DAR 2012, 340 – jurisPR-VerkR 2/2013 Anm. 4; OLG Hamm DAR 2011, 409): Der erzieherische Sinn und Zweck der Maßregel wird im Bußgeldrecht jedenfalls dann als zweifelhaft angesehen, wenn der zu ahndende Verkehrsverstoß deutlich mehr als zwei Jahre zurückliegt (OLG Hamm VRS 109, 118; OLG Köln StraFo 2004, 287; OLG Rostock zfs 2001, 383; BayObLG NZV 2004, 100), wobei der Zeitraum zwischen Tat und letzter tatrichterlicher Entscheidung relevant ist (OLG Stuttgart zfs 1998, 194; OLG Hamm DAR 2000, 580; OLG Brandenburg NZV 2005, 278; OLG Schleswig DAR 2000, 584). Für das Fahrverbot nach § 44 StGB wurden vereinzelt auch schon kürzere Zeiträume als zwei Jahre für ausreichend erachtet (BGH zfs 2004, 133; OLG Hamm DAR 2004, 535), was aber per se nicht auf das bußgeldrechtliche Fahrverbot übertragen werden (Deutscher in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Aufl. 2012, Rn 932 m.w.N.; Deutscher, NZV 2005, 120; Krumm, DAR 2004, 536; anders aber fehlerhaft OLG Zweibrücken DAR 2011, 649) und auch nicht generell so postuliert werden kann, wenn keine besondere Argumentation im Einzelfall erfolgt (König, a.a.O, § 44 StGB, Rn 9). Nur hinsichtlich der möglicherweise nicht mehr erreichbaren Zielrichtung des Fahrverbots wird die Begründung sowohl bei § 25 StVG als auch bei § 44 StGB identisch erachtet (NK-GVR/Blum, a.a.O., § 44 StGB, Rn 24).
RiAG Dr. Benjamin Krenberger
zfs 9/2014, S. 529 - 530