Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG sollte die Verteidigung im Falle einer Verurteilung zu einer Geldbuße von 101 EUR bis höchstens 250 EUR (Abs. 1) über die Sach- oder Verfahrensrüge hinaus darlegen, warum der jeweilige Fall der Klärung durch das Oberlandesgericht bedarf. Dies ist nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG der Fall, wenn die Nachprüfung zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient.
I. Fortbildung des Rechts
Eine Überprüfung des angefochtenen Urteils zur Fortbildung des Rechts ist geboten, wenn bei Auslegung von Rechtssätzen und der rechtsschöpferischen Ausfüllung von Gesetzeslücken Leitsätze aufzustellen oder zu festigen sind. Denn mit der Zulassung der Rechtsbeschwerde soll das Rechtsbeschwerdegericht Gelegenheit erhalten, seine Rechtsauffassung in einer für die nachgeordneten Gerichte richtunggebenden Weise zum Ausdruck zu bringen.
II. Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
Die Rechtsbeschwerde ist ferner zuzulassen unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Der Zulassungsgrund ist gegeben, wenn sonst schwer erträgliche Unterschiede in der Rechtsprechung entstehen oder fortbestehen würden, wobei es darauf ankommt, welche Bedeutung die angefochtene Entscheidung für die Rechtsprechung insgesamt hat. Dies trifft etwa zu, wenn entweder Verfahrensgrundsätze von elementarer Bedeutung verletzt sind oder wie hier das Urteil mit Fehlern behaftet ist und entweder die Gefahr der Wiederholung besteht oder der Fortbestand der Entscheidung zu krassen und augenfälligen, nicht mehr hinnehmbaren Unterschieden in der Rechtsprechung führen würde. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bereits einen Zulassungsgrund nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 OWiG bejaht mit der Begründung, wenn "die Gefahr der Nachahmung durch die Richterin selbst … , die die Entscheidung getroffen hat, zum anderen durch ihre Kollegen" gegeben sei. Enthält ein Urteil bei einer Verurteilung wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht die notwendigen Feststellungen zum standardisierten Messverfahren, so ist der Zulassungsgrund angenommen worden, zumal zu erwarten stehe, dass auch in Zukunft vergleichbare Verfahren vor dem Amtsgericht verhandelt würden.
Nur ein ersichtliches Versehen im Einzelfall, dessen Wiederholung nicht zu besorgen ist, soll aber die Nachprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht nicht gebieten, selbst wenn der Rechtsfehler offensichtlich ist. Diese Rechtslage hat für das Rechtsempfinden der Bürger die nahezu untragbare Konsequenz, dass Oberlandesgerichte in Fällen von geringeren Geldbußen durchaus auf die Fehlerhaftigkeit der amtsgerichtlichen Entscheidungen hinweisen; verbunden ist dieser Hinweis jedoch damit, dass das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde nicht zulassen könne, da die – vom Amtsgericht falsch entschiedene Frage – in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt sei und es nicht geboten sei, hierzu ein klärendes Wort zu sprechen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die "hinreichende Klärung der Rechtsfrage in der obergerichtlichen Rechtsprechung" dergestalt erfolgt ist, dass sie mit der Auffassung des angegriffenen Urteils diametral im Widerspruch steht.
III. Gehörsverletzung
Wurde gegen den Betroffenen eine Geldbuße von nicht mehr als 100 EUR festgesetzt, so ist die Zulassung der Rechtsbeschwerde ausgeschlossen wegen Verfahrensrechtsverstößen. Diese Einschränkung betrifft nicht die Versagung des rechtlichen Gehörs, da sich die Einschränkung der Zulassungsrechtsbeschwerde nach § 80 Abs. 2 OWiG nur aus Abs. 1 Nr. 1, und nicht Abs. 1 Nr. 2 ergibt. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist dann verletzt, wenn dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wird, sich zu allen entscheidungserheblichen und ihm nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern.
Im Bereich der zulassungspflichtigen Rechtsbeschwerde des § 80 OWiG führt nicht jeder Verfahrensfehler, der im Zusammenhang mit der Nichtgewährung rechtlichen Gehörs steht, auch zur Zulassung der Rechtsbeschwerde. Aufgrund der einschränkenden Voraussetzungen des § 80 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 OWiG für Bagatellsachen kommen hierfür nur Gehörsverletzungen im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG in Betracht. Eine zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führende Gehörsverletzung muss deshalb nicht vorliegen, wenn in Folge der rechtsfehlerhaften Ablehnung eines Entbindungsantrags nach § 73 Abs. 2 OWiG und anschließender Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid nach § 74 Abs. 2 OWiG die Einlassung des Betroffenen zur Sache unberücksichtigt geblieben sei. Anders ist es lediglich...