FeV § 20 § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d, Buchst. a Alt. 2, Buchst. c;StGB § 69; VwGO § 75
Leitsatz
1. Der Umstand, dass in zulässiger Weise nach Ablauf der Sperrfrist gem. § 75 S. 2 VwGO Untätigkeitsklage erhoben wurde, steht weder weitergehenden Aufklärungsmaßnahmen der Verwaltungsbehörde wie etwa dem Erlass einer Gutachtensanordnung noch dem auf § 11 Abs. 8 S. 1 FeV gestützten Schluss auf die Nichteignung des Fahrerlaubnisbewerbers entgegen.
2. Die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gem. § 69 StGB löst im Sinne einer Tatbestandswirkung ohne Weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung aus; die Vorschrift des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst d FeV knüpft explizit nicht an eine Kumulation der Gründe a bis c für die frühere Entziehung der Fahrerlaubnis an, sondern alternativ an das frühere Vorliegen eines dieser Gründe (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl. Urt. v. 18.6.2012 – 10 S 452/10, VBlBW 2013, 19; sowie Senatsbeschl. v. 15.1.2014 – 10 S 1748/13, [zfs 2014, 235 =] VBlBW 2014, 348).
3. Eine Gutachtensanordnung nach der Auffangvorschrift des § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV kommt auch dann in Betracht, wenn der Schwellenwert nach Buchst. c von 1,6 ‰ bei der Trunkenheitsfahrt knapp unterschritten wurde, jedoch deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung des Betroffenen wie etwa das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen vorliegen und deshalb bei der Gesamtschau auf eine gravierende Alkoholproblematik geschlossen werden kann, die Zweifel am Trennungsvermögen begründet.
VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 7.7.2015 – 10 S 116/15
1 Anmerkung:
Gem. § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d FeV ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war. Ob die Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in der hier vorliegenden Fallkonstellation auf § 13 S. 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Nr. 2 Buchst. 2a Alt. 2 FeV gestützt werden kann, weil die Fahrerlaubnis durch das strafgerichtliche Urteil entzogen worden war, wird in der Rspr. und Literatur unterschiedlich beantwortet.
Mit diesem Urteil führt der VGH BW seine bisherige Rspr. fort. Danach soll die strafgerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss gem. § 69 StGB im Sinne einer Tatbestandswirkung ohne Weiteres die Notwendigkeit der Anordnung einer MPU auslösen. Ebenso sieht es das OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 22.5.2013 – 1 M 123/12, zfs 2013, 595; VG München, Beschl. v. 19.8.2014 – M 6b E 14.2930, DAR 2014, 712, VG Berlin, Urt. v. 1.7.2014 – VG 18 K 536/13, DAR 2014, 601. A.A. sind BayVGH, Beschl. v. 20.3.2009 – 11 CE 08.3308, Blutalkohol 46 [2009], 299; VG München, Urt. v. 9.12.2014 – M 1 K 14.2841, zfs 2015, 238 = DAR 2015, 154; VG Würzburg, Beschl. v. 21.7.2014 – W 6 E 14.606, DAR 2014, 541; VG Regensburg, Beschl. v. 12.11.2014 – RO 8 K 14.1624, DAR 2015, 40. Bislang offen gelassen wurde die Frage von OVG NRW, Beschl. v. 21.1.2015 – 16 B 1374/14, juris und nunmehr von BayVGH, Beschl. v. 8.10.2014 – 11 CE 14.1776, zfs 2014, 717 = DAR 2015, 35 sowie v. 28.11.2014 – 11 CE 14.1962, juris. In der Literatur folgt Scheidler (VBlBW 2015, 93) dem VGH BW.
Dem VGH BW ist die Gesetzessystematik des § 13 S. 1 Nr. 2 FeV entgegenzuhalten. Ohne das Hinzutreten weiterer Tatsachen sieht § 13 S. 1 Nr. 2c FeV bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt eine MPU erst bei einer BAK ab 1,6 ‰ vor. Es liefe der auf Alkoholwerte abstellenden Spezialregelung des § 13 S. 1 Nr. 2c FeV zuwider, wenn unabhängig von der hier in der Verordnung vorgegebenen Höhe des Alkoholwertes, für sich alleine genommen, in jedem Falle der strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss eine MPU gefordert werden kann. § 13 S. 1 Nr. 2a 2. Alt. FeV ist kein allgemeiner Auffangtatbestand. Die Alkoholgrenzwerte sind in § 13 S. 1 Nr. 2c FeV festgesetzt und dieser Regelung hätte es nicht bedurft, wenn unabhängig von der Höhe des Alkoholwertes und ohne Hinzutreten weiterer Umstände bei einmaligen Alkoholfahrten stets eine MPU anzuordnen wäre (Haus, zfs 2014, 479 und zfs 2014, 719; Mahlberg, DAR 2014, 419; ders., DAR 2014, 603; Ixmeier, DAR 2015, 36; Gebhardt, Das verkehrsrechtliche Mandat Band 1, Verteidigung in Verkehrsstraf- und Ordnungswidrigkeitenverfahren, 8. Aufl. 2015, § 63 Rn 27; Koehl, DAR 2015, 52; Zwerger, DAR 2015, 157; ders., jurisPR-VerkR 5/2015 Anm. 1; ders., in Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat Band 3, Verkehrsverwaltungsrecht, 2. Aufl. 2012, § 8 Rn 41; Hillmann, DAR 2015, 1; vgl. dazu auch BayVGH, Beschl. v. 20.3.2009 – 11 CE 08.3308, Blutalkohol 46 [2009], 299; BayVGH, Beschl. v. 9.2.2009 – 11 CE 08.3028, SVR 2009, 113 mit Anm. Geiger).
Der VGH BW hat die Revision zuzulassen, "da die Anwendung ...