Gut drei Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage erscheint endlich eine Neuauflage des Werkes von Fromm. Endlich deshalb, weil die erste Auflage mir sehr gut gefallen hat. Nicht nur optisch wurde das Werk überarbeitet. Es fällt sofort auf, dass es auch inhaltlich ausgefeilt, vor allem aber erheblich erweitert wurde. Im Vergleich zur Vorauflage hat es an Umfang zugenommen, umfasst nunmehr – exklusive Sachregister – fast 640 Seiten. Aus ursprünglich 16 Kapiteln sind 25 geworden. Schon hier wird deutlich, dass der Autor mit sämtlichen Facetten straßenverkehrsrechtlichen OWi-Verfahrens beleuchtet und nichts unberücksichtigt bleibt.
Was ist neu hinzugekommen? Selbstverständlich machte die "Punktereform" zum 1.5.2014 eine Überarbeitung erforderlich. Weitere Kapitel wurden hinzugefügt, beispielsweise Fahrerermittlung, Nichteinhaltung des Mindestabstands oder Bußgeldverfahren nach Verkehrsunfällen, um nur einige an dieser Stelle explizit zu nennen. Ebenfalls Berücksichtigung gefunden hat die RVG-Reform aus dem Jahre 2013.
Das Ziel des Autors, der ein ausgewiesener Experte im Bereich des Straßenverkehrs-OWi-Verfahrens ist und zahlreich zu diesem Thema veröffentlicht hat, ist freilich nicht geändert worden. Weiterhin will Fromm eine Hilfestellung für eine effektive Verteidigung geben. Deutlich wird dies an zahlreichen Praxistipps, die in den Text eingepflegt worden sind. Hier gibt der Autor sein ganzes praktisches Wissen an den Leser weiter. Dass Fromm mit Leib und Seele Verteidiger ist, sich sein Werk daher auch vornehmlich an die Anwaltschaft richtet, wird auch deutlich, wenn er z.B. darauf hinweist, dass polizeiliche Zeugen oftmals ein üblicherweise anzutreffendes Schutzverhalten entwickeln, um ihr eigenes Verhalten zu rechtfertigen (S. 131). Unheimlich gut gefallen hat mir zudem, dass der Autor am Ende jedes Kapitels ein Fazit zieht, in dem er die wichtigsten Thesen noch einmal zusammenfasst (z.B. S. 157). In kurzen Sätzen wird alles Wissenswerte resümiert.
Inhaltlich weiß der Autor seinen Leser vollends zu überzeugen. Dies ist nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass Fromm seinem Ziel, sich an Praktiker zu richten und diesen "wertvolle Verteidigertipps" zu geben, weiterhin vollumfänglich gerecht wird. Die Praxisnähe zeichnet sich ferner auch dadurch aus, dass der Autor mehrere verschiedene überzeugende Musterschriftsätze anbietet. Als sehr hilfreich habe ich die Musterschriftsätze zur Begründung der Rechtsbeschwerde empfunden, welche aus meiner Sicht fast schon als "Königsdisziplin" bezeichnet werden kann, weil der Verteidiger hier oftmals den strengen Anforderungen an die Verfahrensrüge nicht gerecht wird (oder nicht gerecht werden kann?). Verwiesen sei hier auf die S. 334 ff. Von den neu eingefügten Kapiteln möchte ich hier anstelle aller anderen auf das Bußgeldverfahren nach Straßenverkehrsunfällen eingehen (S. 147 ff.). Nach einer kurzen Einführung in die Problematik geht Fromm auf Verteidigungsansätze ein, nennt hier z.B. die Möglichkeit der Einholung privater Sachverständigengutachten oder aber die Inaugenscheinnahme des Unfallorts, um den Sachverhalt zu erforschen und aufklären zu können. Ein sehr guter praktischer Hinweis ist es, den Rechtsgedanken des § 60 S. 1 StGB gegenüber der Bußgeldbehörde und dem Gericht zu erwähnen, was sich u.a. dann empfiehlt, wenn der Mandant selbst durch die Tat verletzt worden ist (hierzu S. 153).
Es bleibt dabei, dass das Werk von Fromm absolut gewinnbringend für die Praxis ist und dem Praktiker ans Herz gelegt werden kann. Fromm bietet seinem Leser zu allen relevanten verkehrsordnungswidrigkeitenrechtlichen Fragen eine Antwort. Klare Kaufempfehlung.
Autor: Sebastian Gutt
RA Sebastian Gutt, FA für Verkehrsrecht, Helmstedt
zfs 9/2015, S. 494 - 495